Keine Berührungsängste mehr - Keramik-Kunst ist Trend
Leverkusen (dpa) - Keramik - da denken viele zuerst an Kunsthandwerk oder Töpferkurse in der Toskana. Der Italiener Lucio Fontana revolutionierte die Kunst in den späten 40er Jahren mit seinen eingeschlitzten Leinwänden - und er war ein Meister der Keramikkunst.
Fontana (1899-1968), der mit seiner Avantgarde-Kunst unter anderem die Zero-Gruppe inspirierte, war offensichtlich auch nicht ganz wohl dabei, mit Ton und Vasen in Verbindung gebracht zu werden. „Ich habe niemals einen Teller auf der Töpferscheibe gedreht oder eine Vase bemalt“, sagte er einmal.
Fontanas vasenähnliche Keramikgefäße haben Löcher, aus denen das Wasser laufen würde. Rosa glasierte Teller hat er auch fabriziert, allerdings türmen sich in ihrer Mitte Tonhaufen auf. Fontana hat auch eine schwarz glasierte Medusa-Büste aus Keramik geschaffen, die wie eine perfekte barocke Bronzebüste aussieht.
Keramik war in der Kunst lange verpönt, seit einigen Jahren aber haben Künstler keine Berührungsängste mehr. Die Ausstellung „Keramische Räume“ im Museum Morsbroich in Leverkusen zieht jetzt eine große Linie vom keramischen Werk Fontanas bis zu führenden deutschen Künstlern wie Thomas Schütte und Rosemarie Trockel sowie auch jüngeren Bildhauern wie Markus Karstieß. Auch international ist Keramik gefragt. Der chinesische Künstler Ai Weiwei stellte Millionen Sonnenblumenkerne aus Porzellan her. Auch Picasso „hat massenweise Keramik“ gemacht, sagt Museumsdirektor Markus Heinzelmann.
Eine Ausstellung mit Keramik auf die Beine zu stellen, ist im wahrsten Sinne Schwerstarbeit. In Spezialbetten liegend wurden die bis zu 400 Kilo schweren Keramik-Kunstwerke in das Museum geliefert, sagt Heinzelmann. Keramik sei zwar eines der härtesten Materialien in der Kunst. Wenn aber nur eine Ecke falsch auf den Marmorboden gesetzt werde, dann gehe sie kaputt.
Dabei sieht Keramik besonders bei Rosemarie Trockel so leicht und weich aus. In einer Sitzlandschaft laden täuschend echte rechteckige weiße „Kissen“ auf einer Sperrholzplatte zum Hinsetzen ein. Sie sind aus Keramik. Abformungen seien bei Trockel ein zentrales Thema, sagt Heinzelmann. „Sie nimmt dem Material seine Eigenschaften.“
Trockel spielt ebenso ironisch mit dem Werkstoff Ton wie mit Wolle. Trockels Strickbilder hängen heute in den großen Museen, aber auch sie distanziert sich von diesem als spießig geltenden Material. „Ich habe noch nie Hand an Wolle gelegt“, sagte sie einmal. Sie lässt Maschinen stricken.
Der erste deutsche Künstler, der in den 1980er Jahren wieder zum Ton griff, war der 2012 gestorbene Norbert Prangenberg, aus dessen Nachlass mehrere Werke erstmals in Morsbroich zu sehen sind. Thomas Schütte stellte Ende der 90er Jahre hohe Keramikurnen her, die in Gruppen als „Familien“ anordnete. „Was Keramik angeht, ist er enorm experimentell“, sagt Heinzelmann. Ganz neu sind Schüttes karnevaleske, gelb oder rot glasierten „Basler Masken“, in denen ebenfalls ironischer Hintersinn lauert. Die Stirn ist immer plattgeschlagen.
Die Schau wird am Sonntag eröffnet und ist bis zum 31. August zu sehen.