Kleines Revival: Die Kassette ist noch da

Berlin (dpa) - Das Mix-Tape mit Lieblingsmusik und handbemaltem Cover, das war einmal. Ebenso die verstaubte James-Last-Kassette im Rentnerauto. Und natürlich der ewige Bandsalat, das Leiern. Einmal kaputt, ist die Musik verloren.

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Die Kassette ist ein Medium von gestern. Oder etwa nicht?

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Ähnlich wie bei Polaroid und Schreibmaschinen hat die mehr als 50 Jahre alte Technik heute eine Nische bei Liebhabern gefunden. Es gibt sogar neue Labels, die darauf Musik veröffentlichen.

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Ein Besuch im Berliner Plattenladen „ Bis auf's Messer“. Der hat etwa 100 Titel in den Regalen: Indie-Musik, Elektronik, Punk. Robert Schulze (36), Karohemd und tätowierte Arme, fischt eine Hülle aus dem Regal: Die Band Totem Skin hat ihre Kassette mit Siebdruck und einem Camus-Zitat verziert. Ein Kassetten-Revival? „Bei uns war es nie ganz verschwunden“, sagt Schulze. Und: „Im Punk ist es immer noch eines der wichtigsten Medien.“ Der Vorteil: Kassetten sind billig, einfach und sehen schön aus. „Es hat eine andere Wertigkeit.“ Wenn eine Kassette verschwindet, ist das schlimmer als bei einer MP3-Datei.

Der Kommunikationsdesign-Student Charly Hall ist im Zeitalter der „Benjamin Blümchen“-Kassetten aufgewachsen. Der 27-Jährige hat 2013 das kleine Label Greatberry Tapes gegründet, das für alle Musikrichtungen offen sein soll. Hall nutzt selbst ein Kassettendeck oder seinen Walkman. Er mag die Musik zum Anfassen: „Ich finde es schön, dieses Haptische zu haben“, sagt er. Durchzappen geht bei der Kassette nicht. „Anders als bei der CD fängt man an, ein ganzes Album durchzuhören.“ Er sieht es als Ergänzung zur digitalen Technik, ähnlich wie das Verhältnis von E-Book und gedrucktem Buch.

Der Sound sei nicht gut, aber das gehöre zum Medium, sagt Guillaume Siffert vom Neuköllner Plattenladen „ Staalplaat“. Es gebe viele Labels, die Neues damit machten. Musiker nutzten es wie ein Instrument, für Collagen. „Die meisten Leute machen das aus Spaß“, sagt Siffert. „Mit Kassetten kann man kein Geld verdienen.“ Sie kosten demnach 1 bis 3 Euro in der Herstellung und werden für 4 bis 7 Euro verkauft.

Tape-Enthusiast Rinus van Alebeek vom Label Staaltape wird beim Thema fast poetisch. Eine Kassette sei „wie ein Notizbuch, das man findet oder wie ein Karton voll mit alten Briefen und Ansichtskarten, eine Stadtkarte von Thessaloniki vielleicht, und jedes einzelne Zeugnis bringt seine eigenen Klänge, Musikfetzen, Wörter.“

Kassetten sind auch Bastelobjekt und werden zum Beispiel zu Schmuckketten. Auch für die Hörspielreihe „Die drei ???“ werden sie noch genutzt. Die nackten Zahlen sprechen aber gegen die Kassette. Die CD ist in digitalen Zeiten weiter recht stark, Schallplatten haben mit 2,6 Prozent im globalen Vergleich einen überdurchschnittlichen Marktanteil in Deutschland.

Mit der Kassette wurde 2014 hingegen nur noch eine Million Euro Umsatz gemacht. Zu Spitzenzeiten im Jahr 1991 - kurz nach dem Mauerfall - waren es 524,5 Millionen Euro. „Gleichwohl: Wer weiß schon, was in der Nische passiert, es bleibt spannend!“, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie, Florian Drücke.

Robert Schulze vom Plattenladen „Bis auf's Messer“ glaubt nicht, dass die Kassette in zehn Jahren verschwunden ist. „Die Schallplatte war ja auch schon 100 Mal totgesagt.“