Kleist-Preis für Ferdinand von Schirach

Berlin (dpa) - Der Berliner Anwalt und Autor Ferdinand von Schirach bekommt an diesem Sonntag den Kleist-Preis 2010. Der schreibende Strafverteidiger wird für seinen ersten Erzählband „Verbrechen“ (Piper Verlag) geehrt.

Er werde aber Anwalt bleiben, sagte von Schirach der Nachrichtenagentur dpa.

„Als Schriftsteller hat man die Verantwortung für eine Geschichte, als Strafverteidiger für einen Menschen.“ Der 46-Jährige zitierte den österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard. Dieser habe einmal über seinen ersten Preis gesagt, er sei darüber völlig unbefangen in tiefstem Herzen glücklich. „Das trifft es“, sagte von Schirach.

Mit „Verbrechen“ habe von Schirach „das meistbeachtete Debüt der deutschen Literatur 2009“ vorgelegt, begründet die Heinrich-von- Kleist-Gesellschaft die Wahl. Der mit 20 000 Euro dotierte Literaturpreis wird im Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm übergeben, die Laudatio hält der Schriftsteller Bernd Eilert. Die Übersetzungsrechte von „Verbrechen“ wurden bereits in mehr als 30 Länder verkauft.

Der in München geborene von Schirach hat in diesem Sommer seinen zweiten Band mit ungewöhnlichen Kriminalfällen herausgebracht. „Schuld“ steht seit Wochen auf der Bestsellerliste des „Spiegels“. Nun schreibt der prominente Anwalt ein neues Buch. „Es werden keine Kurzgeschichten mehr sein“ - soviel verrät er. „Ich arbeite hart daran, aber die Recherchen sind sehr umfangreich“. Titel und Erscheinungstermin will von Schirach noch nicht sagen.

Ob ihn das Schreiben verändert habe? „Wenn man 46 ist, verändert man sich nicht mehr so sehr. Ich gehe in die gleichen Cafés, treffe die gleichen Menschen und denke die gleichen Dinge“, sagte von Schirach der dpa. Der Literaturbetrieb sei fast immer interessant, „aber er kann auch entsetzlich anstrengend sein.“

Ferdinand von Schirachs Großvater Baldur von Schirach war NS- Reichsjugendführer. Auch aus diesem Grund rückte der Strafrechtler in den Blick der Öffentlichkeit. In Interviews wiederholte er geduldig, dass der Familienname für ihn keine Last sei.

Seit 1994 arbeitet von Schirach als Anwalt und Strafverteidiger in Berlin. Er vertrat auch Ex-SED-Funktionär Günter Schabowski und die Familie des Schauspielers Klaus Kinski. Der Promi-Anwalt übernimmt vorwiegend klassische schwere Kriminalitätsfälle.

Der erstmals in der Weimarer Republik vergebene Kleist-Preis wurde 1985 durch die Kleist-Gesellschaft wiederbegründet. Die Literatur- Auszeichnung ging seitdem unter anderen an Heiner Müller, Ernst Jandl, Daniel Kehlmann und Herta Müller. Die Ehrung soll kein Lebenswerk würdigen, sondern laut Gesellschaft ein Preis für risikofreudige Schriftsteller sein, die wie der Dichter Heinrich von Kleist als Vordenker gelten können.