Klirrende Kälte hat Deutschland im Griff
Offenbach/Bochum (dpa) - Deutschland zittert weiter in klirrender Kälte: Die Nacht zum Dienstag hat Temperaturen um die minus 25 Grad gebracht. In Europa steigt die Zahl der Kältetoten. Auch in Deutschland ist erneut ein Mann in dem eisigen Frost ums Leben gekommen.
Für die kommenden Tage erwarten die Meteorologen nur leicht steigende Temperaturen. Da die wärmende Sonne vielerorts nicht mehr durch den verhangenen Himmel kommt, könnte das Thermometer tagsüber noch einmal „weit runter gehen“, sagte Dorothea Paetzold vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Laut DWD war das Quecksilber im sachsen-anhaltischen Ort Stiege am tiefsten gesunken: auf minus 25,7 Grad.
In Niedersachsen ist ein 75-jähriger Rentner Opfer der eisigen Kälte geworden. Der Mann wurde bereits vergangene Woche auf einem Feldweg zwischen Husum und Brokeloh gefunden. Insgesamt hat die Kältewelle in Europa bislang mehr als 300 Menschen das Leben gekostet. Allein in der Nacht zu Dienstag starben 11 weitere Menschen.
In der Ukraine gab es bislang mindestens 135 Kältetote. In der Nacht zu Dienstag erfroren in Polen weitere sechs Menschen, teilte eine Sprecherin des Innenministeriums in Warschau mit. In Tschechien fanden Polizisten in einer Prager Kleingartenkolonie am Dienstag die Leiche eines 44 Jahre alten Obdachlosen. Die tiefste Temperatur wurde dort zuletzt mit minus 24,8 Grad in Sindelova (Schindlwald) im westlichen Erzgebirge gemessen.
Die Kältewelle erreichte auch Nordafrika: In Algerien starben in den vergangenen Tagen 25 Menschen bei wetterbedingten Verkehrsunfällen oder infolge von Kohlenmonoxidvergiftungen, teilten die Rettungskräfte am Dienstag mit. In etlichen Regionen Algeriens und Tunesiens hatte es in den vergangenen Tagen erstmals seit Jahrzehnten heftig geschneit.
In Rumänien sind in der Nacht zu Dienstag nach Angaben des Gesundheitsministeriums ebenfalls zwei Menschen an der Kälte gestorben. Wichtige Fernstraßen sind gesperrt, Tausende Schulen geschlossen. Mindestens 130 Ortschaften blieben ohne Strom. In Ungarn starben nach Angaben der Nachrichtenagentur MTI in den vergangenen 24 Stunden vier Menschen in der Kälte.
Die meisten Regionen auf dem westlichen Balkan sind nach einem Schneesturm mit einer frischen Lage Schnee überdeckt, der vielerorts den Verkehr zum Erliegen brachte und die Stromversorgung unterbrochen hat. Auf der griechischen Insel Symi wurde nach schweren Regenfällen eine Frau aus Großbritannien von den Wassermassen erfasst und ertrank.
Auch in Litauen überlebten zwei Menschen den Frost in der Nacht nicht. Am Wochenende hatten die Temperaturen im Baltikum noch minus 30 Grad und kälter betragen. In Belgrad wurde Polizeiangaben zufolge eine Frau von einem vier Kilogramm schweren Eiszapfen erschlagen, der von einem zwölfstöckigen Gebäude auf den Gehweg herunterkrachte.
Auf den Straßen in Deutschland ist der ADAC im Dauereinsatz. Häufigste Ursache für Pannen, zu denen die Straßenwacht gerufen wurde, waren kaputte oder leere Batterien, Zündanlagen und Reifen.
Auf dem Münchner Flughafen fielen nach Angaben eines Sprechers am Dienstag insgesamt zehn Flüge aus, etliche Flugzeuge gingen verspäte in die Luft, weil beide Start- und Landebahnen abwechselnd geräumt und die Flieger enteist werden mussten.
Zahlreiche Bahnreisende mussten sich im Fernverkehr der Bahn gedulden. Wegen Weichen- und Signalstörungen in Frankfurt und Hannover hatten die Züge aus dem Norden in Mannheim im Laufe des Vormittags teilweise bis zu 30 Minuten Verspätung.
Auf der Elbe treiben inzwischen viele Eisschollen. Binnenschiffe machten notgedrungen fest, sagte Klaus Kautz, Chef des Wasser- und Schifffahrtsamtes Dresden. Er schätzte, dass zwischen Riesa und Torgau mittlerweile 50 Prozent des Flusses mit Schollen bedeckt sind, an engen Stellen unterhalb Torgaus sogar 80 Prozent.
Die Kälte macht auch den deutschen Bauern mehr und mehr Schwierigkeiten. Der Frost lasse die Energiekosten fürs Heizen steigen, Wasserleitungen einfrieren und könne eventuell auch bei der Saat zu Schäden führen, teilte der Bauernverband am Dienstag in Berlin mit. Mögliche Folgen für die Ernte könnten aber noch nicht abgeschätzt werden.
Auf den ostfriesischen Inseln Wangerooge und Juist werden inzwischen frische Lebensmittel knapp: Dort können seit Tagen keine Fähren mehr anlegen. Seit Dienstag ist mit Spiekeroog die dritte ostfriesische Insel abgeschnitten. Winterfreuden dagegen in Hamburg: Auf der zugefrorenen Alster, dem großen See in der Hansestadt, tummelten sich zahlreiche Schlittschuhläufer. Die Umweltbehörde warnt zwar weiter vor dem Betreten, verbietet es aber nicht mehr.