Freizeit Klub Langer Menschen kocht auf Augenhöhe
Im Klub Langer Menschen treffen sich große Menschen zum Billard spielen, Tanzen und Kochen.
Düsseldorf. Nach wenigen Minuten entspannt sich der Nacken, der Rücken wird gerade, beide Beine stehen fest auf dem Boden — wie erholsam eine Unterhaltung auf Augenhöhe ist, merkt man erst, wenn man dazu sonst keine Gelegenheit hat. Brigitte Müller liebt diese Momente. Die 57-Jährige ist Mitglied im Klub Langer Menschen (KLM).
Im KLM treffen sich seit den 50er Jahren Frauen ab 1,80 Meter und Männer ab 1,90 Meter, um gemeinsam Billard zu spielen, ins Kino zu gehen, zu tanzen und sich dabei von Angesicht zu Angesicht zu unterhalten. Brigitte Müller nimmt mit 19 anderen Langen aus dem Bezirk Düsseldorf an einem Kochkurs in Hilden teil. Während die ersten sich an orientalischen Salaten versuchen, plaudert Müller auf der Terrasse. „Es ist schön, auch mit hohen Schuhen nicht zu groß zu sein“, sagt die Richratherin zufrieden.
Viele KLMler sind nach einem Umzug oder einer Trennung beigetreten, um neue Leute kennenzulernen. Über die Jahrzehnte sind innige Freundschaften entstanden. So will sich der Klub auch verstanden wissen: „Wir sind keine Singlebörse und auch keine Heiratsvermittlung, eher eine Interessengemeinschaft“, sagt Müller. Ihren Freund hat sie dennoch im Klub kennengelernt. Ein Rumba-Tanz war Schuld, sagt sie.
In der Küche werden die Kochschürzen an die nächste Gruppe weitergegeben. Die Schürzen reichen kaum bis zu den Knien, aber daran ist man gewöhnt. Die Größe ist hier kein Dauerthema, am Stehtisch unterhält man sich sich über Haustiere, Kinofilme, das neue Auto, die nächsten Treffen — und Hotels mit langen Betten.
In den 60er Jahren nahm der KLM noch Sammelbestellungen für lange Unterhosen entgegen, man tauschte sich aus, wo es die längsten Kleider gab. Brigitte Müller kaufte im Januar Sommerschuhe und im September Winterschuhe. „Sonst gab es nichts. Heute ist die Auswahl durch das Internet viel größer.“
Die anderen Frauen teilen ähnliche Kindheitserinnerungen: „Meine Mutter hat mich in Leibchen und Röcke gesteckt, damit ich kleiner wirkte“, erzählt die 48-jährige Elli lachend. Im KLM schätzt sie nun das „Stehen ohne aufzufallen“. Ihren Nachnamen will sie nicht verraten. Lang und lang duzt sich.
Verena Fister erinnert sich, wie ihre Mutter in den 70er Jahren Bordüren an die Hosen nähte, um sie zu verlängern. Und dass sie gern mehr Miniröcke getragen hätte: „Das ist bei unseren Beinen ja sehr vorteilhaft, aber auf der Rolltreppe muss man immer aufpassen, dass keiner hinter einem steht und drunter guckt“, sagt die 59-Jährige und schmunzelt.
Probleme, die die Männer nicht haben — auch ein Grund, warum im KLM mehr Frauen sind. „Männer stören sich an der Größe nicht, lange Frauen fallen eher auf“, erklärt Silke Lütkehölter.
Zum Kochkurs haben es dennoch einige Männer geschafft. „Die Jungs“ stehen gerade in der Küche und rollen Fleischbällchen. „Lafer wäre begeistert“, sagt der größte der Jungs, Thorsten Lütkehölter. Mit 2,14 Meter ist er auch der Größte im Bezirk. Ganz auf Augenhöhe kann er sich allerdings auch im Klub nicht unterhalten, er neigt den Kopf nur ein bisschen weniger tief als im Alltag.
Thorsten Lütkehölter ist seit mehr als zehn Jahren im KLM: „Mir geht es darum, mit Gleichgesinnten Spaß zu haben. Man ist nicht immer auf ein Thema festgelegt. Und im Gegensatz zum Sportverein gibt es keinerlei feste Verpflichtungen.“
Ines Osterkamp wurde fast als Mitglied geboren, auch ihre Eltern waren im KLM aktiv: „Ich war erst skeptisch, aber dann hat mich mein Vater zum Stammtisch mitgenommen; da war der Bann gebrochen. Jeder ist willkommen und jeder kann sich einbringen“, schwärmt die Düsseldorferin, die jetzt auch ihre eigene Tochter mitnimmt.
Nach drei Stunden ist das orientalische Buffet fertig. Lange Leute haben einen guten Appetit, strahlend werden die Teller zum Tisch getragen, man versteht sich auch schmatzend und wohlig seufzend. „Es sind Leute verschiedener Charaktere, aber es harmoniert einfach gut“, sagt Sandra Rösner. Auch sie will den KLM nicht missen.