Kölner Beschwerdechor: Motzen im Dreivierteltakt

Beschwerdechor: Kölner Sängerinnen und Sänger widmen sich dem professionellen Lamentieren – und haben auch noch viel Spaß dabei.

Köln. Der Mann hat gute Laune. "Die Leute sollen Spaß haben", sagt er. Dann geht er los, beschwingt, und gibt vor motivierter Mannschaft den fröhlichen Zampano. Das ist verwunderlich, ist Wilfried Kaets (49) doch Anführer einer ungewöhnlichen Truppe, die sich - ganz im Ernst - dem professionellen Lamentieren verschrieben hat. Kaets ist Leiter des Kölner Beschwerdechors.

Lauthals Frust loswerden, hat offensichtlich etwas Befreiendes. Mehr als 50 Menschen haben sich an diesem Sonntagnachmittag im Gemeindesaal einer Kölner Kirchengemeinde zur Chorprobe eingefunden. Ein kollektiver Seufzer zu Beginn - und schon singen sie gemeinsam an: gegen den deutschen Steuerdschungel, gegen Zwei-Klassen-Medizin und zuviel Bürokratie.

Doch es hat nichts Verbissenes, wenn sie einen Taxi-Kurzstrecken-Tarif einfordern oder sich darüber beklagen, dass ihnen keiner Blumen schenkt. Ein wenig Ironie schwingt immer mit. Das liegt vor allem an Chorleiter Kaets. Beschweren als Kunstform, "diese Idee ist so skurril, dass sie wieder spannend ist", meint er. Es sei ein bisschen bürgerschaftliches Engagement, aber auch die "Transformierung von Ärger und Frust in etwas Kreatives, Positives".

Genau so hatten es sich die beiden Ideen-Geber, Tellervo Kalleinen und Oliver Kochta-Kalleinen, auch gedacht. Das finnisch-deutsche Künstlerpaar stellte einst fest, wie viel Zeit die Menschen doch damit verbringen, sich zu beschweren: über das Wetter, rücksichtslose Autofahrer oder den blöden Nachbarn. "Warum also nicht die Leute ihre Klagen singen lassen?", fragten sie - und gründeten 2005 in Birmingham den ersten Complaints Choir. Heute existieren Beschwerdechöre unter anderem in Melbourne, Tokio oder Zürich.

Den größten aber gibt es seit 2008 in Köln. Insgesamt 70 Aktive zählt der Chor zurzeit, rheinischer Frohsinn und gemeinschaftliches Meckern gehen offenbar gut zusammen. Viele der Beschwerden haben die Sängerinnen und Sänger selbst beigesteuert. Andere Textteile stammen von der Internetseite des Chores, wo die Besucher aufgerufen sind, im Gästebuch ihrem Ärger Luft zu machen.

Chorleiter Kaets, Musiker und Komponist, hat die Statements im Originalwortlaut vertont. Dass die gesungene Beschwerde in der Gesellschaft etwas ändern könnte, daran glaubt er, wie die meisten Mitstreiter, nicht. "Aber es gibt viele im Publikum, die ähnlich empfinden. Die freuen sich, dass sie nicht alleine sind."