Krankenstation ruhig gestellt
Medikamenten-Skandal: Der Chefarzt einer Düsseldorfer Klinik soll seinen Patienten ohne deren Wissen Psychopharmaka verabreicht haben.
<strong>Düsseldorf. Gut gelaunte Patienten sind pflegeleichte Patienten - eine Binsenweisheit für Krankenhaus-Mediziner. Der Chefarzt der Inneren Medizin am St. Vinzenz-Krankenhauses in Düsseldorf-Derendorf soll auf eine sehr spezielle Art für fröhliche Stimmung unter den Privatpatienten der Station A4 gesorgt haben. Laut einer anonymen Anzeige wegen mehrfacher Körperverletzung, die der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft vorliegt, soll er seinen Patienten mindestens im Zeitraum von Mai bis September 2007 das Antidepressivum Aponal verabreicht haben. Die Geschäftsführung der Klinik soll vom Medikamenten-Skandal frühzeitig gewusst haben, aber nicht eingeschritten sein.
In dem vierseitigen Schreiben, das auch unserer Zeitung vorliegt, wird explizit behauptet, dass die Medikamenten-Gabe auf ausdrückliche Anweisung des Chefarztes geschehen ist. Auf einem Aushang im Schwesternzimmer habe wörtlich gestanden: "Jeder Patient soll zur Nacht eine Tablette Aponal 15 mg erhalten."
Die pflegerische Leitung der Station habe die Anweisung "eindringlich durchgesetzt". Die Patienten allerdings wurden nicht über die Gabe von Psychopharmaka informiert. Auch gezielte Nachfragen nach den Tabletten seien nicht beantwortet worden. Aponal soll ohne medizinische Indikation über den gesamten Zeitraum der stationären Behandlung gegeben worden.
Möglicherweise waren die Patienten wegen des Psychopharmaka-Einsatzes nicht in der Lage, Risiken, aber auch die Kosten einer Therapie einzuschätzen. Mittlerweile haben sich mehrere Personen gemeldet, deren Angehörige in der betreffenden Zeit auf der Station lagen. Sie wollen auffällige Stimmungsänderungen beobachtet haben.
Aponal wird zur Behandlung von depressiven Erkrankungen oder bei Angst- und Entzugssymptomen eingesetzt. Es wirkt stimmungsaufhellend und einschläfernd. Für Patienten mit Herzbeschwerden kann das Mittel lebensgefährliche Nebenwirkungen haben Außerdem steht der Wirkstoff im Verdacht, das Brustkrebsrisiko zu erhöhen. Mindestens ein Herzpatient soll Aponal erhalten haben, ein weiterer Mann, der ohnehin schon mit anderen Antidepressiva behandelt wurde, ebenfalls.
"Sollten Psychopharmaka unkontrolliert, schematisch und ohne Wissen der Patienten verabreicht worden sein, ist das als Kunstfehler einzuschätzen", sagt Dr. Robert Schäfer, Geschäftsführender Arzt bei der Ärztekammer Nordrhein. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob es einen Anfangsverdacht gibt und will im Fall der Fälle Ermittlungen einleiten. Sollte das nicht geschehen oder das Verfahren eingestellt werden, will die Ärztekammer standesrechtlich gegen den Chefarzt ermitteln.
Der Verbund Katholischer Kliniken, zu dem auch das St. Vinzenz-Krankenhaus, prüft die Vorwürfe. Auch, ob der Mediziner, der seit acht Jahren an der Klinik tätig ist, beurlaubt oder suspendiert werden muss. Bis Redaktionsschluss war noch keine Entscheidung gefallen. Ob die Geschäftsführung allerdings tatsächlich an einer raschen Aufklärung der Vorwürfe interessiert ist, wie sie behauptet, kann zumindest angezweifelt werden.
Nach eigener Aussage hat die Leitung erst am 20. Februar von der pauschalen Gabe von Antidepressiva erfahren. Unserer Zeitung liegen aber Dokumente vor, aus denen eindeutig hervorgeht, dass sowohl der Geschäftsführer der Klinik, Achim Brenneis, als auch der VKKD-Geschäftsführer Jürgen Braun schon Mitte Januar von der Rechtsabteilung über die Vorfälle informiert wurden.
Die Mitarbeitervertretung der Klinik hat nach eigener Aussage zu diesem Zeitpunkt die Abteilung "Recht&Personal" informiert und bereits am 30. Januar vom Ärztlichen Direktor der Klinik, Prof. Dr. Peter Thümler, eine schriftliche Antwort erhalten. Darin heißt es, dass die Gabe von Aponal "ausnahmslos eine ärztliche Entscheidung ist, die keiner weiteren Erläuterung bedarf". Der Professor habe der Mitarbeitervertretung mit rechtlichen Schritten gedroht.
Anwendung Aponal ist ein Handelsname für den Wirkstoff Doxepin. Er wirkt dämpfend und wird daher oft zur Sedierung und Stimmungsaufhellung verwendet. Die beruhigende Wirkung verringert sich oft während einer längeren Einnahme.
Schwerpunkte Zu den Schwerpunkten der Klinik zählen Endoprothetik für Hüfte und Knie, Wirbelsäulen- und Schilddrüsen-OPs, Hämatologie und Innere Medizin.
Verbund Das Krankenhaus gehört zum Verbund Katholischer Kliniken (VKKD), einem Zusammenschluss von Krankenhäusern und Altenheimen in der Region Düsseldorf.