Kritik an Behörden im englischen Missbrauchs-Skandal wächst

London (dpa) - Der tausendfache Kindesmissbrauch im englischen Rotherham hätte den zuständigen Behörden spätestens vor neun Jahren in vollem Umfang bekannt sein müssen. Das sagte die Leiterin einer unabhängigen Untersuchung des Skandals, Alexis Jay.

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Angesichts der seit 2005 vorliegenden Informationen könne niemand sagen, er habe nichts gewusst. Jay hatte in einem Bericht am Vortag öffentlich gemacht, dass in den vergangenen 16 Jahren rund 1400 Jungen und Mädchen in der nordenglischen Stadt sexuell ausgebeutet und missbraucht worden waren. Polizei und Kinderschutz-Behörden wirft sie in dem Report kollektives und eklatantes Versagen vor. Interne Berichte über die Situation seien unterdrückt oder ignoriert worden.

Zwischen 1997 und 2013 haben in Rotherham Sexualverbrecher Jungen und Mädchen mit Alkohol gefügig gemacht, vergewaltigt, verschleppt, misshandelt und eingeschüchtert. 2010 geriet die Stadt bereits in die Schlagzeilen, als fünf Männer wegen Kindesmissbrauch verurteilt wurden. Wie der Bericht zeigt, ist der Skandal noch deutlich größer, als damals bekanntwurde. Er enthalte „absolut schreckliche Fälle“, sagte die britische Innenministerin Theresa May.

Am Mittwoch wuchs der Druck auf den Polizeichef der Region South Yorkshire, Shaun Wright. Er war als Mitglied im Stadtrat von 2005 bis 2010 für den Kinderschutz zuständig. Mehrere Stadträte sowie die britische Labour-Partei fordern seinen Rücktritt. „Ich glaube, er hat ernsthafte Fragen zu beantworten“, sagte May.

Wright bat um Verzeihung und bedauerte, dass den Kindern nicht ausreichend geholfen wurde. „Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiß, dann hätte eindeutig mehr getan werden können“, sagte er dem Sender Sky News. „Ich kann nur sagen, dass das für die Polizei in South Yorkshire höchste Priorität hat.“ Das werde auch so bleiben, so lange er den Posten innehabe. Sein Amt niederzulegen, lehnte er ab. Der Vorsitzende des Stadtrats von Rotherham, Roger Stone, war bereits am Dienstag zurückgetreten.