Kulturereignisse 2013: NS-Raubgut und Suhrkamp-Fehde

Berlin (dpa) - Selten hat ein Thema die Schlagzeilen der Feuilletons so bestimmt wie der Kunstfund in München. Doch auch das Ringen um den Suhrkamp Verlag, die Jubiläen von Wagner und Verdi und der Tod von Größen wie Doris Lessing, Dieter Hildebrandt und Walter Jens prägten das Kulturjahr 2013.

Die Nachrichtenagentur dpa erinnert an die wichtigsten Ereignisse:

1. KUNST MIT VERGANGENHEIT: Es war einer der spektakulärsten Kunstfunde der Nachkriegsgeschichte. In der Münchner Wohnung des 80-jährigen Kunsthändler-Sohns Cornelius Gurlitt beschlagnahmten Ermittler die verschollen geglaubte Sammlung seines Vaters, darunter Werke von Picasso, Chagall, Matisse, Beckmann und Nolde. Fast 600 Bilder stehen im Verdacht, Nazi-Raubkunst zu sein. Bei beinahe 400 könnte es sich um Werke handeln, die die Nazis als „Entartete Kunst“ diffamierten und aus Museen entfernten. Eine Taskforce ermittelt. Ob die Bilder je an die Erben der einstigen Besitzer zurückgehen, ist offen - genauso wie die Frage, warum die Behörden den brisanten Fund eineinhalb Jahr geheim hielten.

2. SHOWDOWN BEI SUHRKAMP: Nach siebenjährigem Kleinkrieg ist der Streit zwischen Suhrkamp-Chefin Ulla Unseld-Berkéwicz und dem Miteigentümer Hans Barlach eskaliert. Die Verlegerin meldete Insolvenz an, um das 2009 von Frankfurt nach Berlin umgezogene Traditionshaus von einer Kommandit- in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Sie will den ungeliebten Partner damit entmachten. Die Autoren unterstützen den Schritt. Die Serie von Klagen, mit denen sich die beiden Kontrahenten seit Jahren überziehen, ist damit aber nicht abgeschlossen.

3. NOBELEHREN FÜR KANADA: Die Vergabe des Literaturnobelpreises an die kanadische Erzählerin Alice Munro war eine echte Überraschung. Erstmals seit 20 Jahren ging die höchste Schriftstellerehre damit wieder nach Nordamerika - noch dazu an eine Frau, die mit ihren 82 Jahren nicht mehr ganz oben auf der Favoritenliste stand. Zur Preisvergabe nach Stockholm kam sie aus gesundheitlichen Gründen nicht. In Deutschland erschien vor kurzem ihr wohl letztes Buch „Liebes Leben“ mit 14 neuen Kurzgeschichten. Der wichtigste deutsche Buchpreis, der von der Akademie für Sprache und Dichtung verliehene Georg-Büchner-Preis, ging in diesem Jahr an die Berliner Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff (59), die mit Büchern wie „Pong“ und „Blumenberg“ bekannt wurde.

4. OSCAR FÜR ARGO: Der Polit-Thriller „Argo„ von Ben Affleck konnte sich bei der Oscar-Verleihung über die Auszeichnung als Bester Film freuen - auch wenn aus dem Iran Kritik an dem Werk kam. Doppelter Preissegen für Österreich: Schauspieler Christoph Waltz („Django Unchained“) und der Film „Liebe“ von Regisseur Michael Haneke erhielten in Hollywood je einen Goldjungen. Beim Europäischen Filmpreis wurde das italienische Gesellschaftsporträt „La Grande Bellezza - Die große Schönheit“ von Paolo Sorrentino zum besten Film gekürt. Der höchste deutsche Filmpreis Lola ging an Jan Ole Gersters Tragikomödie „Oh Boy“ mit dem wunderbar verlorenen Hauptdarsteller Tom Schilling. Die Berlinale zeichnete mit Calin Peter Netzers Psychodrama „Mutter und Sohn“ erstmals einen rumänischen Film mit dem Goldenen Bären aus.

5. THEATER DES JAHRES: Die Münchner Kammerspiele konnten sich in der jährlichen Kritiker-Umfrage mit gleich vier Auszeichnungen als Theater des Jahres profilieren. Dem niederländischen Intendanten Johan Simons sei es gelungen, das Haus in ein internationales Stadttheater zu verwandeln, befand die verantwortliche Zeitschrift „Theater heute“. In der Spielzeit 2015/16 soll der Berliner Matthias Lilienthal die Nachfolge des scheidenden Simons übernehmen. Die Komische Oper Berlin unter Barrie Kosky wurde in einer weiteren Kritiker-Umfrage zum „Opernhaus des Jahres“ gekürt. Für negative Schlagzeilen sorgte das berühmte Moskauer Bolschoi Theater. Nach einem von ihm angestifteten Attentat auf Ballettchef Sergej Filin wurde Startänzer Pawel Dmitritschenko zu sechs Jahren Straflager verurteilt. Filin hatte bei dem Säureanschlag schwere Augenverletzungen erlitten.

6. WAGNER UND VERDI: Mit Richard Wagner und Giuseppe Verdi konnten gleich zwei Operngiganten ein Jubiläum feiern - ihren 200. Geburtstag. Wagner, bis heute polarisierend, wurde landauf, landab mit Konzerten, Neuinszenierungen und Ausstellungen geehrt. Der mit Spannung erwartete Höhepunkt, Frank Castorfs „Ring des Nibelungen“ in Bayreuth, spaltete das Festspiel-Publikum am Grünen Hügel: Die einen fanden seine Neuinterpretation des vierteiligen Opernzyklus beliebig, die anderen skandalös. Auch das anschließende Verdi-Jahr brachte zahlreiche Neuaufführungen und Neueinspielungen - allen voran Plácido Domingos Verdi-Hommage nach seinem Umstieg vom Tenor- auf das Baritonfach.

7. PLEITEN UND PANNEN: Unter einem schlechten Stern stand Karin Beiers neue Intendanz am Hamburger Schauspielhaus. Bei Bauarbeiten schnellte im Herbst der Eiserne Vorhang zwischen Bühne und Zuschauerraum hoch, Gegengewichte zerschlugen den Bühnenboden. Beiers Eröffnungspremiere „Die Rasenden“ musste auf den 18. Januar verschoben werden. Die Hamburger Elbphilharmonie wird den Steuerzahler inzwischen zehnmal mehr als ursprünglich geplant kosten - 789 Millionen Euro. Immerhin haben sich Stadt und Baukonzern nach eineinhalbjährigem Stillstand auf der Baustelle geeinigt, inzwischen steht zumindest der Rohbau. In Berlin wurde nach mehrfachem Aufschub der Grundstein für das neue Empfangsgebäude zur weltberühmten Museumsinsel gelegt. Die Kosten des Projekts steigen wegen des schwierigen Baugrunds um fast 30 Millionen auf rund 100 Millionen Euro, die Eröffnung verzögert sich um Jahre.

8. MUSEUM DER MODERNE: Der Streit um die Zukunft der Berliner Gemäldegalerie, der auch international für Aufsehen sorgte, ist durch ein Gutachten beigelegt. Die wertvolle Sammlung Alter Meister kann danach in ihrem angestammten Haus am Potsdamer Platz bleiben. Hinter der nahegelegenen Neuen Nationalgalerie entsteht ein neues Museum der Moderne, in dem auch die von der Unternehmerfamilie Pietzsch zugesagte Sammlung surrealistischer Kunst Platz findet. Für das Projekt sind 130 Millionen Euro geplant. Die von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz favorisierte Umzugslösung hätte fast das Dreifache gekostet.

9. REKORD FÜR KUNST: Das Triptychon „Three Studies of Lucian Freud“ (1969) von Francis Bacon wurde für umgerechnet 106 Millionen Euro zum teuersten je versteigerten Kunstwerk. Bei einer Auktion in New York brach das Bild den bisherigen Rekord von Edvard Munchs „Schrei“, der vor eineinhalb Jahren für umgerechnet rund 88 Millionen Euro unter den Hammer kam. Dagegen vergleichsweise günstig: Das Aquarell „Liegende Frau“ von Egon Schiele erzielte mit rund 1,8 Millionen Euro den bisherigen Rekord bei einer Online-Auktion.

10. TRAUER UM TOTE: Im vergangenen Jahr musste die Kulturwelt von vielen ihrer Großen Abschied nehmen. So starb im November mit 94 Jahren die britische Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing, die mit ihrem Jahrhundertroman „Das Goldene Notizbuch“ als Vorreiterin der Frauenbewegung galt. Weitere Tote waren Kabarettist Dieter Hildebrandt (86), Kulturkritiker Marcel Reich-Ranicki (93), Schauspieler Otto Sander (72), Rhetorik-Professor Walter Jens (90), Maler Willi Sitte (92), die Schriftsteller Stéphane Hessel (95) und Erich Loest (87) und der unvergessene Erfinder der „Kleinen Hexe“, Kinderbuchautor Otfried Preußler (89). Als besonders tragisch empfanden viele den Tod von Bestsellerautor Wolfgang Herrndorf. Nach jahrelangem Kampf gegen seinen unheilbaren Hirntumor erschoss sich der Schöpfer von „Tschick“ im August mit 48 Jahren am Ufer des Berliner Hohenzollernkanals.