Kulturgutschutzgesetz: Museen spüren erste Auswirkungen

Berlin (dpa) - Das umstrittene neue Kulturgutschutzgesetz zeigt in deutschen Museen erste Auswirkungen. Leihgeber sind verunsichert; vereinzelt haben Sammler ihre verliehenen Kunstwerke sogar zurückgezogen.

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Dies ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Das kürzlich verabschiedete Gesetz soll den illegalen Handel mit Kunstobjekten verhindern, es verbietet die Ausfuhr von „national wertvollem Kulturgut“ aus Deutschland.

„Derzeit scheinen das Gesetz und die Diskussion dazu die Abstimmungen mit Eigentümern von Kunstwerken wie potenziellen Leihgebern zu erschweren“, sagte Sprecherin Tine Nehler von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, einem der großen Sammlungsverbünde in Deutschland. „Es ist für Museen aufwendiger geworden, Überzeugungsarbeit zu leisten und mit ihnen zusammenzuarbeiten, was nicht immer gelingt.“

Für eine Paul Klee-Ausstellung, die für Anfang 2018 in der Pinakothek der Moderne geplant ist, hat das Museum nach Angaben Nehlers erstmals eine Absage eines Leihgebers bekommen, der sie explizit mit dem Kulturgutschutzgesetz begründete. Die Ausstellung werde aber trotzdem stattfinden können und soll am 1. März 2018 starten.

Die Münchner Kunstsammlerin Ingvild Goetz warnte kürzlich in einem dpa-Interview vor gravierenden Folgen für Museen. „Es ist viel, viel schlimmer als man denkt. Manche Museen werden keine Ausstellungen mehr zusammenbekommen“, sagte sie. Sammler weigerten sich inzwischen, ihren Besitz zur Verfügung zu stellen - und auch sie selbst erwäge Konsequenzen aus dem Gesetz.

Eine Sprecherin des Museums Kunstpalast in Düsseldorf sagte, es zeichne sich ab, dass das Kulturgutschutzgesetz die Kooperation mit Sammlern erschweren könne. In zwei Fällen hätten Sammler mit Hinweis auf das Gesetz Werke, die sie dem Kunstpalast als Dauerleihgabe übergeben hatten, nicht für befristete Ausstellungen in anderen Häusern zur Verfügung gestellt.

Auch eine vom Kunstpalast gestellte Leihanfrage für eine geplante Cranach-Ausstellung 2017 sei abgelehnt worden. „Im Moment können wir nicht abschätzen, ob diese Reaktionen als Protest gegen das Gesetz zu werten sind oder tatsächliche Befürchtungen dahinter stecken.“

Auch bei der Bremer Kunsthalle sieht man das Gesetz skeptisch. „Wir befürchten, dass wir zukünftig spannende Ausstellungsprojekte nicht mehr in gewohnter Größe und mit den passenden Werken realisieren können“, sagte Direktor Christoph Grunenberg. So habe sein Haus bei der Vorbereitung einer Max-Liebermann-Ausstellung eine deutliche Verunsicherung bemerkt. „Im Vorfeld haben Galerien und Privatsammler, die dem Haus bisher leihfreudig gesinnt waren, Leihanfragen auf Grund des damaligen Gesetzesentwurfes negativ beantwortet“, berichtete er.

Das Gesetz erschwere die Zusammenarbeit mit Sammlern. „Eine kleine Auswahl in Aussicht gestellter Dauerleihgaben bedeutender Künstler wurde zurückgezogen. Dies geschah nicht nur, aber auch auf Grund von Bedenken hinsichtlich des Gesetzesentwurfes.“

Aus dem Sprengel Museum in Hannover hat ein ausländischer Dauerleihgeber aufgrund des neuen Kulturgutschutzgesetzes bereits seine 13 Werke zurückgezogen. Direktor Reinhard Spieler hofft allerdings, ihm vermitteln zu können, dass Leihgaben aus dem Ausland bei Einfuhr mit einer Rückgabegarantie ausgestattet werden, und die Werke wieder zurückkommen. Mit zwei weiteren Leihgebern, die ihre Werke zurückziehen wollen, gibt es dem Direktor zufolge Gespräche.

Gerade noch verhindert werden konnte die vorzeitige Schließung der Ausstellung „Schätze für den Kaiser“ mit wertvoller chinesischer Kunst im Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum: Zwei Privatsammler, die ihre Leihgaben aus Verunsicherung zurückziehen wollten, konnten umgestimmt werden, nachdem ihnen versichert wurde, dass ihre Stücke von dem Gesetz nicht betroffen seien.

Ähnliche Sorgen trieben die private Langen Foundation bei Neuss (NRW) um: Sie verfügt über eine in Deutschland einzigartige Japan-Sammlung mit rund 350 Werken vom 12. bis 20. Jahrhundert. Die Sammlung habe ein „Alleinstellungsmerkmal in Deutschland“, sagt Stiftungsvorsitzende Sabine Langen-Crasemann. Sie wandte sich daher sogar direkt an Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Diese habe zugesichert, dass die Kollektion nicht auf die Liste für national wertvolles Kulturgut komme. „Das wollten wir bestätigt haben.“

„Das Problem an dem Gesetz ist, dass es nicht so klar ist, wie die Sammler oder Galeristen es gern hätten“, sagt Langen-Crasemann. „Das macht die Leute unsicher.“

Doch nicht alle Museen reagieren besorgt, viele zeigen auch demonstrative Gelassenheit. So sind in Berlin die Museen eigenen Angaben zufolge nicht von einem Abzug von Leihgaben bedroht. Die Staatlichen Museen, die insgesamt für 19 Häuser und 15 Sammlungen verantwortlich sind, berichten von keinerlei Komplikationen. Weder aktuelle noch kommende Sonderausstellungen stünden in Zweifel, sagte ein Sprecher. Auch die Dauerpräsentationen könnten wie bisher mit ihren Leihgaben arbeiten.

Gleiches gilt für die Landesmuseen der Hauptstadt. „Wir sind von der Debatte nicht betroffen“, sagt etwa Thomas Köhler von der Berlinischen Galerie, Chef des Landesmuseums für Moderne Kunst. „Selbst wenn Sammler Bedenken hätten, würden wir ihnen erklären, dass ihre Sorgen unbegründet sind.“ Denn das Gesetz sei keine Gefahr für Sammler, im Gegenteil: Durch die klarere Definition von „national wertvollem Kulturgut“ werde mehr Sicherheit geschaffen.

Gelassen reagieren auch die großen Kunsthäuser in Stuttgart auf die neue Lage. So verweisen die Staatsgalerie und das Kunstmuseum Stuttgart darauf, dass das Gros ihrer Ausstellungsstücke Eigentum sei. Verunsicherung bei den wenigen Leihgebern gebe es nicht. Kein Sammler habe bislang seine Leihgaben zurückgefordert. Auch der Sammler-Milliardär Reinhold Würth werde an seiner Leihpraxis zunächst nichts ändern, sagte eine Sprecherin.

In der Mannheimer Kunsthalle könnten laut Direktorin Ulrike Lorenz nur wenige Leihgaben vom neuen Kulturgutschutzgesetz betroffen sein. „Die Sammler, mit denen wir zu tun haben, sehen dem Gesetz größtenteils gelassen entgegen“, erklärte Lorenz.

Der Sprecher des Frankfurter Städel, Axel Braun, sagte zu möglichen Auswirkungen: „Im Städel haben wir diese Erfahrungen noch nicht gemacht und noch keine entsprechenden Anfragen erhalten. Allerdings arbeiten wir auch bewusst mit verhältnismäßig wenigen Dauerleihgaben in unserer ständigen Sammlung. Auf unsere Planung künftiger Ausstellungen hat das Kulturgutschutzgesetz keine Auswirkungen. Unser Ausstellungsprogramm steht bereits bis in das Jahr 2018.“

Im Germanischen Nationalmuseum (GNM) in Nürnberg ist man ebenfalls nicht beunruhigt. „Das ist für uns bisher kein Thema“, sagte eine Sprecherin des größten kulturgeschichtlichen Museums des deutschsprachigen Raums. Allerdings: „Wir erwarten einen größeren bürokratischen Aufwand bei bestimmten Leihgaben ins Ausland.“ Das Haus bekomme im Schnitt pro Jahr 30 bis 40 Leihanfragen aus dem Ausland, doch nicht alle davon seien von dem Gesetz betroffen.

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben bis auf den bekannten Fall des Malers Georg Baselitz, der nach Bekanntwerden des Gesetzentwurfs seine Leihgaben aus dem Albertinum abholen ließ, bisher keine weiteren Rückforderungen. Es gebe auch keine entsprechenden Signale oder Absichten anderer Leihgeber, sagte ein Sprecher. Ausstellungen seien nicht gefährdet.

Der Maler Gerhard Richter, der im Albertinum mehrere Räume bespielt und dessen Archiv in Dresden gepflegt wird, hatte bei der Diskussion des Gesetzes erklärt, er wolle erstmal abwarten. „Ob und gegebenenfalls in welcher Weise das neue Gesetz die Ausstellungspraxis beeinflussen wird, bleibt abzuwarten“, sagte der SKD-Sprecher.

Der Direktor der Bremer Museums Weserburg, Peter Friese, sieht im dem neuen Gesetz keine Gefahr. „Ich glaube, das wird total aufgebauscht“, sagte er mit Blick auf die Kritik von Künstlern, Sammlern und Händlern. Dass aus dem Ausland geliehene Kunstwerke plötzlich von einer Sachverständigenkommission beschlagnahmt werden, kann er sich nicht vorstellen. Bei Leihgaben sei alles vertraglich geregelt. „Wenn mir jemand ein Bild leiht, gebe ich es wieder zurück.“