Kunsthistorikertag: Fängt Kunst beim Preisschild an?
Mainz (dpa) - Caspar David Friedrich (1774-1840) hat den Deutschen nicht nur seine Meisterwerke „Kreidefelsen auf Rügen“ oder „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ geschenkt, sondern auch eine beispielhafte Geschichte über das Auf und Ab in der Kunstszene.
Zunächst war der Maler eine Art Jungstar, doch der Ruhm hielt nicht lange an. „Zum Ende seines Lebens hat er miterlebt, dass er als total überholt galt“, sagt Gregor Wedekind, Professor für Kunstgeschichte an der Uni Mainz. Danach sei er mehr oder weniger vergessen worden.
Dass heute wieder Unsummen für einen Caspar David Friedrich aufgerufen werden und viele Menschen froh sind, Bilder des Meisters mal sehen zu können, macht deutlich: Auch die Kunst kennt Moden. Was heute viel wert ist, war es früher nicht und umgekehrt. Und das gilt nicht nur für den wirtschaftlichen Wert eines Kunstwerkes. Nur wer kann entscheiden, was wichtig ist und womöglich für die Allgemeinheit aufgehoben gehört und was nicht?
„Einerseits ist Kunst ein Wert an sich, den es um seiner selbst willen zu sammeln gilt. Andererseits ist es kein absoluter Wert. Jede Gesellschaft muss entscheiden, was ins Museum gehört, was sie als zeigenswert empfindet“, sagt Kunsthistoriker Wedekind. Von diesem Dienstag (24. März) an trifft sich sein Fach in Mainz. Das Thema des 33. Deutschen Kunsthistorikertages lautet „Der Wert der Kunst“. Erwartet werden rund 900 bis 1000 Teilnehmer. Aus Sicht der Experten besteht dringender Redebedarf.
Im vergangenen Jahr hat der nordrhein-westfälische Casino-Betreiber Westspiel zwei Bilder von Andy Warhol in New York versteigern lassen. Westspiel gehört der landeseigenen NRW-Bank. Der Verkauf von Kunst aus Landesbesitz wurde damals schon heftig kritisiert. Die Kunsthistoriker sehen darin einen Fingerzeig für die Zukunft.
„Angefangen mit NRW hat es erstmals in Deutschland in dieser Breite eine Diskussion gegeben, ob man Kunst im musealen Besitz überhaupt verkaufen darf. Das ist ein Tabubruch“, sagt Kilian Heck, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker. „Wenn wir erst einmal damit anfangen, wird jedes kleinere oder größere Museum in kommunaler und landeseigener Trägerschaft ebenso damit anfangen.“
Der Wert eines Kunstwerkes jenseits des Kommerziellen werde heute nicht mehr richtig erkannt. „Ich erwarte, dass die Debatte noch stärker aufflammen wird, warum sich Museen diesen sogenannten Luxus überhaupt noch leisten sollen“, sagt Heck. „Hier können ganz schnell Dämme gebrochen werden.“
Sein Mainzer Kollege Wedekind sieht es ähnlich. „Es ist noch ein relativ abstraktes Szenario. Es gibt aber Beispielfälle in den USA, bei denen versucht wurde, kommunale Schulden mit dem Verkauf von Museumskunst abzubauen“, sagt er. Der Fall in NRW sei noch etwas anders gelagert - da habe es sich nicht um museale Ware gehandelt. Er warnt daher vor Panik. Aber wenn wirklich jemand anfangen würde, Museumskunst zu verkaufen, werde es problematisch.
„Unser Gemeinwesen hat ein Interesse daran, gewisse Dinge der ökonomischen Logik zu entziehen. Aber das ist natürlich eine Verhandlungssache“, sagt Wedekind. Die Kunsthistoriker wollen in Mainz Argumente für diese Verhandlung sammeln. Und dafür plädieren, auch etwas in den Schulen zu ändern. Kunstgeschichte werde zu selten gelehrt, sagt Verbandsvorsitzender Heck. Es gebe nun viel Nachholbedarf. Zudem seien Kunsterzieher in Deutschland traditionell ausgebildete Künstler, ergänzt sein Kollege Wedekind. Es sei nicht falsch, Kreative in der Schule zu haben. Aber: „Das ist so, als würde der Deutschunterricht von Literaten gehalten.“