Last der Vergangenheit: Bürger streiten über Straßennamen
Vor allem bei Namensgebern aus der NS-Zeit kommt es zu Debatten. Essen hält an umstrittenen Generälen fest.
Essen/Düsseldorf. Das Votum der Essener ist eindeutig: Die umstrittenen Generale Hans von Seeckt und Karl von Einem gehören weiter zum Stadtbild — als Namensgeber zweier Straßen.
Bei einem Bürgerentscheid sprachen sich 10 876 Bürger für die Beibehaltung aus, 2766 dagegen. Das nötige Quorum für den Erhalt der Namen war damit deutlich erreicht. Anwohner hatten sich im Vorfeld wegen des Aufwands und der Kosten gegen die Umbenennung ausgesprochen.
Vorausgegangen war ein heftiger Streit um die historische Rolle der Namensgeber. Mit den Worten „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr“ hatte Hans von Seeckt der jungen Weimarer Republik 1920 die Unterstützung gegen einen Putsch von rechts verweigert. Später ließ der General die Reichswehr heimlich aufrüsten, wovon ab 1933 vor allem Hitler profitierte. Von Einem begrüßte öffentlich die Machtübernahme Hitlers.
Und Seeckt ist kein Einzelfall: Es gibt Dutzende Fälle, in denen Straßen nach Nationalsozialisten, deren Unterstützern oder Wegbereitern benannt sind. Meist kommt es in den Gemeinden zum Streit, doch nicht immer steht am Ende auch eine Änderung des Straßennamens.
Ähnlich wie in Solingen und in Münster steht auch im niederrheinischen Anrath und in Remscheid Reichspräsident Paul von Hindenburg als Patron zur Disposition. Die Solinger benannten den Platz in Walder Marktplatz um, nachdem zunächst auch Tänzerin Pina Bausch als Namensgeberin in der Diskussion war. In Münster heißt das Areal weiter Schlossplatz, nachdem sich eine klare Mehrheit gegen die Rückbenennung in Hindenburgplatz aussprach. In Remscheid und Anrath schwelt die Debatte derweil noch.
Doch oft geht es auch um weniger prominente Namen. So entzündete sich 2004 im Düsseldorfer Stadtrat ein Streit um Straßen in Urdenbach und Unterbilk, die nach den Kolonialisten Carl Peters, Franz Lüderitz und Theodor Leutwein benannt sind. Diese hatten eine unrühmliche Rolle bei der Ausbeutung afrikanischer Kolonien gespielt, doch führte die Debatte zu keiner Veränderung.
Anders als im Wuppertaler Stadtteil Vohwinkel, wo eine nach dem Kolonial-Offizier Paul von Lettow-Vorbeck benannte Straße nun den Namen der in Auschwitz ermordeten Nonne Edith Stein trägt. Eine Bürgerinitiative hatte ihren Protest gegen die Änderung nach Prüfung aller Rechtsmittel zurückgezogen.
Auch der Organisator der Olympischen Spiele 1936 in Berlin, Carl Diem, steht immer wieder im Fokus: In Köln und Meerbusch wurde der Gründungsrektor der Deutschen Sporthochschule bereits aus dem Stadtplan verbannt, in Langenfeld hingegen stimmte der Stadtrat 1997 gegen eine Umgestaltung. Das schließt aber nicht aus, dass ein neuer Antrag gegen Diem gestellt werden könnte.
In Ratingen und Velbert richtete sich der Blick hingegen auf die Schriftsteller Agnes Miegel, Hermann Stehr und Ina Seidel, die als Sympathisanten des NS-Regimes gelten. In Velbert wird über die drei Autoren debattiert, in Ratingen ist man bereits einen Schritt weiter. Dort werden im Stadtteil Homberg die Namen von Stehr und Miegel verschwinden, während die Ina-Seidel-Straße bleibt.
In Meerbusch-Osterath streiten derweil Lokalhistoriker über die Hugo-Recken-Straße. Auch bei dem ehemaligen Bürgermeister geht es um die NS-Zeit und die wichtige Frage: Überzeugter Täter oder Mitläufer?