Leben und Legende der Wikinger in London
London (dpa) - Nicht nur als Plünderer und Piraten, sondern auch als friedliche Handelstreibende mit einer ausgeprägten Neigung zur „kulturellen Interaktion“ werden die Wikinger in einer neuen Ausstellung im British Museum in London vorgestellt.
Ihr enormer Einflussbereich, weit über die Meere und Flüsse Nordeuropas hinaus, reichte im Westen bis zur Ostgrenze des heutigen Kanada und im Osten bis zum Kaspischen Meer. Im Süden gelangten die Wikinger bis Cordoba in Südspanien und Marokko, wie durch Funde anschaulich belegt wird.
Die Ausstellung „Vikings: Life and legend“ (Wikinger: Leben und Legende) deckt die Kernperiode des Wikinger-Zeitalters zwischen 800 und 1050 ab. Sie ist von diesem Donnerstag (6. März) bis zum 22. Juni zu sehen und wird ab September im Martin-Gropius-Bau in Berlin gezeigt. Die umfassende Schau mit Fundstücken aus zwölf europäischen Ländern - darunter dem Hiddenseer Goldschmuck aus Deutschland - ist in Zusammenarbeit mit dem Dänischen Nationalmuseum und dem Museum für Ur-und Frühgeschichte in Berlin entstanden.
Niemand bestreite, so Kurator Gareth Williams, dass die Wikinger „gewaltsame Plünderer“ waren. Aber: Sie waren ebenso auch Händler, die ein „beispielloses globales Netzwerk“ in Handel und Kultur aufbauten. „Sie waren beides, friedliche Händler und gewaltsame Plündererer, die Trennung war oft nicht so deutlich“, sagte Williams.
Nach seiner Einschätzung waren die Wikinger nicht weniger gewaltsam als die Angelsachsen, Iren oder Franken. Die teilweise einseitige Geschichtsschreibung habe auch etwas damit zu tun, dass sie weitgehend von „christlichen Mönchen geschrieben wurde, deren Klöster und Kirchen von den Wikingern geplündert wurden“.
Mit immer neuen Funden setze sich die Aufarbeitung der Wikinger-Legende täglich fort. Dabei spielten in erster Linie auch
Hobby-Sucher mit ihren Metalldetektoren eine wichtige Rolle. „Auch 1000 Jahre nach den Wikingern finden wir noch ständig neues Material“, sagte Williams.
Herzstück der Ausstellung in der neuen Sainsbury-Galerie des Museums ist das Wrack eines 37 Meter langen Kriegsschiffes, das 1997 bei Roskilde in Dänemark entdeckt wurde. Die noch erhaltenen rund 20 Prozent der Holzplanken des größten Wikinger-Schiffs werden in London in einem nachgebauten Stahlrahmen vom Ausmaß des Originalschiffs präsentiert. Im Hintergrund rauscht das Meer.
Ein weiteres zentrales Ausstellungsstück ist der berühmte Hiddenseer Goldschmuck, ein knapp 600 Gramm schweres Schmuckensemble, das vom Kulturhistorischen Museum Stralsund als Leihgabe zur Verfügung gestellt wurde. Kinderspielzeug, Schachfiguren und Dirham-Münzen aus Bagdad sind weitere Zeugen von Kultur und Geschichte der Wikinger-Zeit. Über Meere und Flüsse wurden auf den Schiffen nicht nur Sklaven - sondern auch Güter wie Hölzer, Felle, Seide und Bernstein transportiert.
„Das wichtigste an dieser Ausstellung ist, dass die Geschichte lebt und weiterhin entdeckt und geschrieben wird“, sagte Museumsdirektor Neil McGregor. Zu den jüngsten Funden zählt die Ausgrabung eines Massengrabs von Wikinger-Kämpfern in Weymouth, Südwestengland, im Jahr 2009. Die Schädel der enthaupteten Krieger sind von den Skeletten getrennt in einer Ecke angehäuft. Damit, so Williams, werde demonstriert, dass „die Wikinger nicht immer siegreich waren“.