„Lolita“ im Schatten des Vaters
1977 verführte Nastassja Kinski in „Reifezeugnis“ ihren Lehrer — und wurde berühmt. Heute wird sie 50 Jahre alt.
Los Angeles. Es ist mehr als 30 Jahre her, dass sich alle um sie rissen. Berühmte Regisseure und Fotografen standen bei der blutjungen Nastassja Kinski Schlange, nachdem die Tochter vom „wilden Mann des deutschen Films“ vor der Kamera die Hüllen fallen ließ. Es war eine kurze Szene in dem Tatort-Krimi „Reifezeugnis“, die 1977 wochenlang heftig diskutiert wurde.
Der spätere Hollywood-Regisseur Wolfgang Petersen inszenierte die Folge mit Christian Quadflieg als Lehrer, der ein Verhältnis mit seiner Schülerin Sina hat. Die frühere „Lolita“, der das Image der verführerischen Kindfrau jahrelang anhaftete, feiert heute ihren 50. Geburtstag.
Die Schauspielerin lässt sich heute nur noch gelegentlich bei Filmfesten und Benefizterminen blicken. Sie tritt noch vor die Kamera, meist für TV-Produktionen; Kinorollen liegen lange zurück. Dabei hatte Kinskis Karriere viel versprechend begonnen. Wim Wenders entdeckte die damals 13-Jährige für die Peter-Handke-Verfilmung „Falsche Bewegung“. Nach dem „Reifezeugnis“ wollte jeder die blonde Schönheit haben.
An der Seite von Marcello Mastroianni drehte sie die Romanze „Bleib wie du bist“ (1979). Roman Polanski holte sie für „Tess“ vor die Kamera.
Dass keiner dieser Filme zum Kassenschlager wurde, konnte Kinskis Beliebtheit nicht bremsen. Für die US-Presse war kein Vergleich zu hoch: Sie erinnere an die junge Ingrid Bergman oder an Greta Garbo. Der „Stern“ sah den Grund ihres Erfolges in einer „Mischung aus Sex-Appeal, Intelligenz und weiblicher Mystik“. Von Star-Fotograf Richard Avedon ließ sie sich nackt ablichten.
In Wim Wenders’ Amerika-Drama „Paris, Texas“ hatte Kinski 1984 ihren vielleicht besten Auftritt. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere brachte die Schauspielerin Sohn Aljosha zur Welt. Wenig später heiratete sie den ägyptischen Filmproduzenten Ibrahim Moussa. Zwei Jahre später bekam das Paar eine Tochter, nach der Scheidung 1992 wurde ihr das Sorgerecht zugesprochen. Sie verliebte sich in den Pop-Tycoon Quincy Jones. Sechs Jahre blieben sie zusammen, ihre Tochter ist 17 Jahre alt. Alle paar Jahre macht ihr Hollywood ein Angebot. In dem Agententhriller „Tödliche Geschwindigkeit“ jagte sie 1994 mit Charlie Sheen über die Leinwand.
Mit ihrem Vater Klaus Kinski war sie zehn Jahre nach dessen Tod hart ins Gericht gegangen. Ihr Vater sei ihr kein Vater gewesen, und ihre Mutter habe er schlecht behandelt, sagte Kinski in einem Interview. „Ich habe ein paar Mal daran gedacht, meinen Namen zu ändern, als mir klar wurde, dass ich ihn nicht wirklich loswerde.“