Londoner Wolkenkratzer "The Shard": Teurer Blick aus dem 72. Stock

London bietet Besuchern eine neue Möglichkeit, die Stadt aus der Vogelperspektive zu betrachten — vom höchsten Haus Westeuropas.

London. London von oben: Ob auf dem Riesenrad „London Eye“, auf dem ArcelorMittal Tower im Olympiapark oder in der neuen Seilbahn von Greenwich über die Themse — die britische Metropole bietet ihren Besuchern gern die Vogelperspektive. Jetzt kommt eine weitere Aussichtsplattform dazu. Sie ist mit 244 Metern Höhe besonders spektakulär: Das nagelneue Hochhaus „The Shard“ neben dem Bahnhof London Bridge lädt Besucher zum luftigen Sightseeing ein. Am Freitag eröffnet die Plattform. Die Karten für sündhaft teure 25 Pfund (umgerechnet etwa 29 Euro) — deutlich mehr als etwa für das Empire State Building in New York — sind für die ersten drei Öffnungstage bereits vergriffen. (Update: inzwischen kosten die Tickets 29 Pfund. Über visitbritainshop.com kann ein Ticket für 30,50€ vorab online gebucht werden).

Auch wenn der Ausblick wohl nicht mit dem auf Manhattan mithalten kann, ist „The Shard“ (Die Scherbe) als Gebäude spektakulär: Mit 310 Metern ist der Turm aus Glas und Stahl am Südufer der Themse das größte Hochhaus in Westeuropa — nur der Moskauer Mercury Tower ist noch ein paar Meter höher. Oft ragt die Spitze des Hochhauses von Stararchitekt Renzo Piano in die Wolken. Innenarchitekt Kevin Murphy versichert: „Nur an sehr wenigen Tagen“ sei die Lage so, dass man von der Aussichtsplattform lediglich eine berühmte Londoner Sehenswürdigkeit sehen kann: den Nebel.

Für Touristen ist der Blick von „The Shard“ eine weitere teure Attraktion in der Themse-Metropole — nach Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett für deftige 30 Pfund oder der Historien-Geisterbahn London Dungeon für 24,60 Pfund. Unter den Einheimischen ist der „Stachel“ in den Himmel über der Themse ein ständiges Gesprächsthema. Denn an dem Hochhaus wird auch ein Dilemma deutlich: London ist eine Stadt der Superlative, weltoffen und modern, vibrierend und lebenslustig. Aber sie ist auch gezeichnet von den Spuren der Wirtschaftskrise.

Hinter den 11 000 Glasscheiben der vertikalen Stadt, wie der mit Geld aus dem Emirat Katar geschaffene Mikrokosmos „The Shard“ auch von seinen Erbauern genannt wird, wird die Problematik sichtbar. Das Gebäude wird ein Luxushotel der Fünf-Sterne-Kategorie enthalten. Die wenigen Edel-Wohnungen wechseln für zweistellige Millionenbeträge in Pfund den Besitzer. In der 32. Etage zieht der deutsche Starkoch Rainer Becker mit seinem Edel-Grill „Oblix“ ein.

Die Hälfte der Büroflächen auf den mehr als 90 nigelnagelneuen Etagen — und das ist die andere Seite der Medaille — ist aber noch immer nicht vermietet. Erst bis Ende 2014 solle das gelungen sein, geben die Bauträger zu. „The Shard“ bekommt die Flaute im Londoner Bankenviertel zu spüren, in dem in den vergangenen sechs Jahren 100 000 Arbeitsplätze abgebaut wurden.

Um den großen Londoner Konkurrenten des „Shard“ ist es schon ruhig geworden: Der Bau von „The Pinnacle“, ein fast genauso hoch geplanter Büroturm in der Bankenmeile, liegt seit einem Jahr auf Eis — und beschäftigt seitdem mehr die Richter als die Bauarbeiter.