Manni Breukmann: "Ich muss keinem 18 Jahre alten Jungspund hinterherrennen"
Im Interview verrät Radioreporter Manni Breukmann (WDR), dass man in Dortmund Anti-Depressiva braucht und Fortuna Düsseldorf nicht mehr seine heimliche Liebe ist.
Düsseldorf. Hoffenheim in der Bundesliga. Ist das nicht gewöhnungsbedürftig?
Manfred Breuckmann: Hoffenheim finde ich gut. Das ist innovativ, weil da anderes Personal zugange ist. Hoffenheim ist für mich eben nicht der Beweis dafür, dass man im Fußball nur Geld ausgeben muss, um Erfolg zu haben.
Aber Herr Hopp gibt ja nicht gerade wenig Geld aus.
Breuckmann: Dietmar Hopp ist einer, der kommt aus diesem Verein, das ist sein Verein, und für den setzt er sich ein. Super. Das ist etwas anderes als ein ehemaliger thailändischer Ministerpräsident, der einen Klub kauft, das kann ich nicht ab. In Deutschland können Investoren maximal 49 Prozent eines Klub erwerben, das ist wirklich ein Segen.
Schalke war kein Segen in dieser Saison.
Breuckmann: Die haben das Kunststück vollbracht, mit unterirdischem Fußball Punkte zu holen, das muss erst einmal bringen. Ich wünsche mir für die nächste Saison, dass ich wenigstens vier oder fünf Mal sagen kann: Wow, das war aber schöner Fußball. Ich halte es nicht für einen obszönen Wunsch, sich auch einmal schönen Fußball in der Liga zu wünschen. Aber bei Gesprächen mit Managern und Trainer stößt man auf Entsetzen, wenn man sich so etwas wünscht.
Wo kann man im Westen hinfahren, wenn man schönen Fußball sehen will?
Breuckmann: Nach Duisburg eher nicht. In Dortmund braucht man auch Anti-Depressiva, vielleicht ändert sich das ja mit Jürgen Klopp. In Leverkusen ist phasenweise guter und erfolgreicher Fußball gespielt worden, bis das auch nicht mehr funktionierte. Für Bochumer Ansprüche war die Saison gut, in Bielefeld erwartet niemand schönen Fußball. Ob Mönchengladbach und Köln für mehr Qualität sorgen, muss man abwarten. Da müssen die Kölner noch viel tun.
Christoph Daum haben sie erst einmal behalten.
Breuckmann: Dabei hätte der noch einmal schön in die Türkei gehen können, da ist er sowieso der König.
Warum kommentieren Sie eigentlich keine Rosenmontagzüge in Düsseldorf mehr?
Breuckmann: 20 Jahre sind genug, obwohl ich irgendwie das Karnevalsgen habe. Woher, weiß ich auch nicht.
Warum eigentlich Düsseldorf für einen, der aus Datteln kommt?
Breuckmann: Es sind jetzt 33 Jahre, die Liebe trieb mich in diese Stadt. Ich bin gerne hier, obwohl ich immer mehr feststelle, dass ich kein richtiger Düsseldorfer bin und auch keiner mehr werde. Ich bin eher Ruhrgebietler, aber im Schmelztiegel Düsseldorf gibt es ja inzwischen alles, auch Sachsen und Russen.
Und die Fortuna ist immer noch eine heimliche Liebe?
Breuckmann: Mit der Fortuna, das ist ein schwieriges Geschäft. Das war vielleicht einmal eine heimliche Liebe.
"Mein Leben als jugendlicher Draufgänger", war das ein selbstironisches Buch?
Breuckmann: Nur, aber ich mache immer wieder die grausame Erfahrung, das die Leute mit Ironie nicht klarkommen. Manche glauben, ich schreibe über mich in vollem Ernst, dass ich ein jugendlicher Draufgänger gewesen wäre. Dabei trieft das Buch vor Selbstironie. Aber ich schreibe nichts mehr über mich. Grundsätzlich sollte sich auch nicht jeder herausgefordert fühlen, seine Memoiren zu schreiben. Bei mir waren es Kindheitserinnerungen. In Planung ist ein Fußballbuch, kein großer Wurf.
Sind Sie eigentlich ein positiver Mensch?
Breuckmann: Ich schreite nicht Gram gebeugt durchs Leben. Aber ich bin Realist. Mir geht es beim Fußball ja auch nicht um Kompensation für die Tatsache, das die Welt ein Jammertal ist. Andererseits sieht man in der Bundesliga häufig alle Schlechtigkeiten dieser Welt. Ich habe sicher ein pessimistisches Menschenbild. Im Laufe der Jahre mehr denn je.
Geht Ihnen der Fußball nicht manchmal auf den Geist?
Breuckmann: Ich sitze ja nur im Stadion und beobachte. Das ist wichtig für mich, ich mache meine Reportage, ich muss keinem 18 Jahre alten Jungspund hinterherrennen, der mit einem 180 000-Euro-Wagen vorgefahren kommt. Der Schiedsrichter pfeift ab, ich packe ein, trinke noch ein Bier, esse eine Stadionwurst und Feierabend. Zu dem ganzen Drumherum sollte man große Distanz haben.
Fußball im WDR ohne Breuckmann kann man sich gar nicht vorstellen.
Breuckmann: Für mich ist Ende des Jahres Schluss. Ich mache das jetzt 36 Jahre, Steigerungspotenzial gibt es da nicht mehr. Ich bereite mich intensiv auf die Zeit danach vor.
Fehlt es an Irgendetwas?
Breuckmann: Deutschland ist Europameister, das durfte ich noch nie schreien. 1996 habe ich das Halbfinale gegen England im Wembley-Stadion gemacht, war auch gut, Andreas Möller verwandelt den entscheidenden Elfmeter. Ich will nicht meckern, aber Deutschland ist Europameister, Deutschland ist Weltmeister, das habe ich noch nie geschrien. Ist nur wenigen vergönnt
Was sollte man der Bundesliga wünschen?
Breuckmann: Höheres Niveau. Die Bundesliga ist nicht ideenreich genug, nicht passgenau genug, nicht schnell genug. Das hängt nicht alles nur mit dem Geld zusammen, es geht auch um Training. Deutsche Profis erwarten von ihren Trainern beim Üben eher eine Art Show, aber Training muss auch richtig weh tun.
Wer wird Europameister?
Breuckmann: Vielleicht ist das langweilig, aber Italien wird Europameister. Deutschland hat gute Chancen auf das Halbfinale. Ich suche mir sonst immer einen Geheimfavoriten aus, aber immer falle ich damit auf die Schnauze. Gespannt bin ich auf Russland.