Marseille-Provence geht ins Kulturhauptstadtjahr
Marseille (dpa) - Im Hafen von Marseille werden am 12. Januar alle Bootssirenen heulen, um mit 80 weiteren Städten die Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres 2013 zu feiern. Den Titel hat man Marseille und der Region zugesprochen.
Seitdem wurden Museen renoviert und aus dem Boden gestampft und ein rund 900 Events umfassendes Programm zusammengestellt. Negativschlagzeilen über Bandenkriege, Drogenmafia und politische Querelen überschatteten die Vorbereitungen. Nicht alles ist perfekt. Doch für den Startschuss ist Marseille-Provence 2013 gerüstet.
„Dass die Presse die Bandenkriege so hoch spielt, ärgert mich besonders“, sagt Ulrich Fuchs. Der deutsche Kulturmanager wurde 2010 für das Programm Marseille-Provence 2013 als stellvertretender Direktor engagiert. Der 61-Jährige hatte bereits 2009 für Linz das Kulturhauptstadtjahr gestaltet.
Seit Anfang des Jahres 2012 sind in Marseille mehr als 20 Menschen erschossen worden. Das gab Schlagzeilen, die die Vorbereitungen überschattet haben. „Marseille hat das Problem jahrelang nicht in den Griff bekommen. Jetzt hat man die Kriminalität zum nationalen Problem erklärt“, sagt der studierte Germanist und Theaterwissenschaftler. Letztendlich sei das durchaus positiv zu sehen, denn die Vorfälle hätten die Regierung wachgerüttelt.
Seit August gehört der Norden von Marseille, in dem die Bandenkriege vorwiegend stattfinden, zu den sogenannten Hochsicherheitszonen, in denen verstärkt Polizisten eingesetzt werden. Um die Sicherheit brauche man sich jetzt keine Sorgen mehr machen, fügt der Kulturmanager hinzu. Im Fall des französischen Staatschefs François Hollande, der voraussichtlich die Eröffnungsfeiern am 12. und 13. Januar einläuten werde, übernehme zudem der Präsidentenpalast den Schutz.
Marseille-Provence 2013 betrifft eine Region, die von Marseille bis zum mehr als 90 Kilometer entfernten Arles reicht und über 1,8 Millionen Einwohner umfasst. Die rund 80 Städte, die an dem Kulturprogramm teilnehmen, gehören politisch den gegensätzlichsten Strömungen an: angefangen vom kommunistischen Aubagne, dem sozialistischen Istres bis hin zum rechten Aix-en-Provence. Die größten Probleme gab es mit der Festivalstadt Aix, die sogar damit drohte, aus dem gemeinsamen Programm auszusteigen.
Über 98 Millionen Euro wurden in den Bau und die Renovierung von Museen und Kunstzentren gesteckt. Bis noch vor knapp einem Jahr war von der spektakulären Villa Méditerranée - einem protzigen Kulturzentrum, das einem riesigen 16-Meter-Sprungbrett ins Meer gleicht - nur das Fundament zu sehen. Auch der 15 000 Quadratmeter große Quader des mehr als doppelt so großen Museums der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers (MuCem) versteckte sich noch hinter haushohen Bauzäunen. Die Hülle beider Einrichtungen ist mittlerweile fertig. Mitte Januar können die beiden Prestigeobjekte besichtigt werden. Eröffnet werden sie jedoch erst Mitte des Jahres 2013.
Das verleihe dem Kulturhauptstadtprogramm eine gewisse Dramaturgie, erklärt Fuchs. Im Januar wird mit einem zweitägigen Volksfest gestartet, weshalb die ganze Marseiller Innenstadt zur Fußgängerzone erklärt wird. Im Frühling folgen die Museumseröffnungen und im September die Einweihung des Konservatoriums in Aix-en-Provence. „Bis vor einem Jahr konnten wir uns das noch gar nicht vorstellen“, gesteht Fuchs. Ob Marseille-Provence 2013 Erfolg haben wird, stehe in den Sternen. „Wir haben die Voraussetzungen geschaffen. Die Zukunft wird es zeigen“, meint der Fachmann für Kulturhauptstädte Europas. Es wird spannend bleiben.