Ausstellung in Wolfenbüttel Martin Luther: Heiliger oder Verbündeter des Teufels?

Wolfenbüttel (dpa) - Das schwarze Stück Stoff ist nur circa zwei mal zwei Zentimeter groß, aber es hat eine ganz besondere Bedeutung. Es soll zu einem von Luthers Gewändern gehört haben - und besitzt damit für Luther-Fans einen unschätzbaren Wert.

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Neben dem Stofffetzen steht ein reich verziertes Trinkgefäß mit einem mindestens ebenso hohen Reliquien-Status: Aus diesem Becher soll der Reformator seinen Wein getrunken haben. Beide Exponate sind Teil der neuen Ausstellung „Luthermania. Ansichten einer Kultfigur“ (15. Januar bis 17. April) in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel.

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„Wir haben alle Bilder von Luther im Kopf, die ihren Ursprung in der Luther-Rezeption vergangener Jahrhunderte haben“, sagt Kurator Hole Rößler. Die Schau will anhand von zahlreichen Exponaten aus dem reichen Bestand der Bibliothek nachzeichnen, wie diese Bilder entstanden sind - und wie sich die Luther-Darstellungen immer wieder verändert haben.

Wie gegensätzlich die verschiedenen Luther-Bilder waren und sind, zeigen die vier Stationen der Ausstellung. Unter den Überschriften „Luther, der Heilige“, „Luther, der Teufel“, „Luther, die Marke“ und „Luther, der Deutsche“ kann der Besucher in jedem Abschnitt ein neues Luther-Bild entdecken. So erwecken katholische Propaganda-Schriften gegen den Reformator den Anschein eines Mannes, der in vielerlei Hinsicht mit dem Teufel im Bunde gestanden haben könnte.

„Dabei ging es von Anfang an um viel Geld“, betont Kurator Rößler. Schon zu Lebzeiten verkauften sich Luthers Schriften so glänzend, dass der Reformator gleichsam zu einer Marke geworden sei. „Mit allem, wo Luther drauf stand, hat sich ein glänzendes Geschäft machen lassen“, sagt Rößler.

Die illegalen Kopien hätten den Reformator so sehr verärgert, dass er schließlich ein eigenes Siegel einführte, das für die Legitimität der Drucke bürgen sollte. „Denn die Raubkopien waren oft von schlechter Qualität und enthielten Fehler“, erläutert der Kurator. Heute schützt den Reformator sein Siegel allerdings nicht mehr. Sogar Luther Quietsche-Enten für die Badewanne sind im Katalog zur Ausstellung zu finden - neben Luther-Keksen und Luther-Socken.

Doch Luther war über die Jahrhunderte nicht nur ein glänzendes Geschäft für findige Händler. „Er war auch eine Projektionsfläche für die unterschiedlichsten Aneignungen“, betont Rößler. So sei der Reformator lange Zeit als eine Art Muster-Deutscher mit wechselnden Eigenschaften idealisiert worden, bevor er vor allem wegen seiner antisemitischen Schriften in Verruf geriet.

Wer der Mensch hinter diesen gegensätzlichen Wahrnehmungen wirklich war, tritt dagegen in der Ausstellung in den Hintergrund. „Uns interessiert, wie sich der Luther-Kult über die Jahrhunderte entwickelt hat“, sagt Kurator Rößler. Das winzige Stück Stoff sei deshalb vor allem als Zeugnis für die Heiligen-ähnliche Verehrung des Reformators interessant. Dennoch habe man es auch auf seine Echtheit hin untersuchen lassen. Nach dem Ergebnis gefragt muss der Kurator schmunzeln: „Nun ja, es ist wohl alt, sagen die Experten.“