„Maskenmann“ soll weiteren Jungen missbraucht haben

Stade (dpa) - Der wegen dreifachen Mordes und etlicher Missbräuche angeklagte Martin N. hat sich wohl an mehr Jungen vergangen als zunächst angenommen. Ein bislang unbekanntes Opfer sollte am Montag im Prozess gegen den 40-Jährigen vor dem Landgericht in Stade als Zeuge auftreten.

Die Aussage wurde aber nach einem Einspruch der Verteidiger des als „Maskenmann“ bekanntgewordenen Angeklagten auf Mittwoch verschoben. Auch ein Gutachten zur Schuldfähigkeit soll dann frühestens drankommen. Ob die Richter das Urteil wie angepeilt am 23. Dezember fällen können, ist fraglich.

Das bislang unbekannte Missbrauchsopfer war erst vor wenigen Tagen aufgetaucht. Bei der Polizei habe der junge Mann angegeben, dass Martin N. ihn 2007 missbraucht habe, sagte Oberstaatsanwalt Johannes Kiers. Jahrelang habe er geschwiegen, bis dann sein Halbbruder vor einer Woche gegen Martin N. wegen sexueller Übergriffe von 2002 bis 2004 vor Gericht aussagte. Danach habe sich junge Mann seinem Vater anvertraut, der daraufhin die Polizei informierte.

Die beiden Halbbrüder könnten in dem Prozess eine wichtige Rolle hinsichtlich der Sicherungsverwahrung spielen. Denn ihre Aussagen belegen, dass der aus Bremen stammende Angeklagte sich auch später noch an Jungen vergriffen hat - also möglicherweise auch heute noch gefährlich ist. Die Anklageschrift legt ihm drei Morde und 20 Missbrauchsfälle zwischen 1992 und 2001 zur Last. Den Großteil der Taten hat der „Maskenmann“ gestanden.

Getarnt mit einer Sturmhaube soll Martin N. nachts in Häuser, Ferienheime oder Zeltlager eingedrungen sein und sich an den schlaftrunkenen Jungen vergriffen haben. Wie aus einem Alptraum tauchte er neben ihrem Bett auf und verschwand nach einiger Zeit wieder - meist unbemerkt von Eltern oder Betreuern. Dreimal entführte und tötete er seine Opfer. Fast zehn Jahre nach seinem letzten Mord kamen ihm die Fahnder auf die Spur. Sie schnappten ihn Mitte April vor seiner Wohnung in Hamburg, wo er seit einigen Jahren lebte.

Daraufhin verhörten ihn Sonderkommissionsleiter Martin Erftenbeck und der aus München hinzugezogene Profiler Alexander Horn. Immer wieder sei N. dabei in Tränen ausgebrochen, sagte Horn am Montag vor Gericht. „Man hat gemerkt, er hat mit sich gerungen.“ Seine pädophile Neigung habe er im Laufe des Verhörs eingeräumt. Später soll er dann zugegeben haben, der „Maskenmann“ zu sein, sagte Horn.

Seine geheimen Sehnsüchte hatte Martin N., der als Betreuer auf Jugendfreizeiten und in Heimen arbeitete, jahrzehntelang vor Kollegen und Bekannten verbergen können. Im Internet verhielt er sich dagegen weniger bedeckt. Von 2000 bis 2011 verfasste er nach Angaben von Soko-Leiter Erftenbeck unter einem Pseudonym in einem Forum rund 4500 Beiträge, in denen er sexuelle und brutale Fantasien äußerte. Nicht immer blieb es bei Fantasien - auch später nicht, wie die Aussagen der beiden weiteren Missbrauchsopfer nun nahe legen.