Massengentest im Mordfall Nelli G. gestartet
Massengentests sind meist die letzte Hoffnung bei schwierigen Fällen. Im westfälischen Halle sind jetzt 1300 Männer zur Speichelprobe aufgefordert. Bringt die Aktion den Durchbruch im Fall Nelli G.? Seit Monaten rätseln die Ermittler über den Mord an der dreifachen Mutter.
Halle/Westfalen (dpa). Ein Nachmittag Anfang Februar: Der Hund eines Landwirts stößt in einem Wald im westfälischen Halle auf eine Leiche. Zunächst ist noch nicht einmal das Geschlecht klar, doch vier Tage später steht fest: Es handelt sich um eine seit Monaten vermisste Frau. Auf die 46 Jahre alte Nelli G. - Mutter dreier Kinder - war mehrmals eingestochen worden.
Drei Monate nach dem Fund der Leiche hat am Freitag ein Massengentest begonnen. Bis kommenden Dienstag sollen 1300 Männer zwischen 18 und 60 Jahren freiwillig eine Speichelprobe abgeben. Sie wohnen im 750-Meter-Umkreis der einstigen Adresse des Opfers.
Im Saal des Berufskollegs in Halle proben Schülerinnen zu stampfenden Rhythmen eine Modenschau. Zwischen der Parade bunter Kostüme und dem benachbarten Klassenraum G 24 liegen Welten: Vor dem Klassenraum stehen am Freitag Männer Schlange, um eine Speichelprobe abzugeben. „Irgendwie muss man der Familie doch helfen“, sagt Karl-Alfred Deutermann. „Alle Haller sollten mitmachen.“
Seit sieben Monaten ermittelt die Mordkommission „Ahorn“, der Durchbruch soll jetzt mit dem Massengentest gelingen. Die Supermarktverkäuferin Nelli G. hätte an dem Tag ihres Verschwindens am 14. Oktober vergangenen Jahres eigentlich Dienst gehabt, nämlich um 15.00 Uhr, sagt der Leiter der Mordkommission, Ralf Östermann.
Gegen Mittag des besagten Tages will eine Zeugin die Frau auf ihrem Fahrrad in der Nähe ihres Zuhauses im Ahornweg gesehen haben. Wohin Nelli G. wollte, ist unklar. Ihr Fahrrad wird bald darauf gefunden, die Frau bleibt verschwunden. Am 9. Februar wird ihre Leiche in dem Wald gefunden. Die Handgelenke sind mit Kabelbinder gefesselt. Mund und Augen sind mit einem Klebeband abgedeckt.
„Diese Details sprechen gegen eine Affekt-Tat, eher für einen Plan“, sagt Östermann. Die Ermittler sind sich einig: der Täter dürfte sich im Ort und der Umgebung gut ausgekannt haben. An der Leiche wurde DNA eines Mannes gefunden. Ein Massengentest ist oft die letzte Hoffnung der Ermittler in kniffligen Fällen, aber keine Erfolgsgarantie. Im wenige Kilometer entfernten Gütersloh wurden 2009 in einem Mordfall fast 12 000 Männer zum Speicheltest bestellt - ergebnislos.
In Halle haben sich am Freitag bereits in der ersten Stunde 100 Männer eine Speichelprobe abnehmen lassen. Alle sind völlig einverstanden mit der aufwendigen Suche. Rolf Abraham hofft, dass der Täter so gefunden wird. Viktor Ehrreisser kannte Nelli G. aus dem Supermarkt. Sehr nett, sagt der 61-Jährige über das Opfer. „Die hat niemandem etwas Böses getan.“
Jedem Mann werden zwei Proben entnommen. Die Röhrchen werden versiegelt, mit einer Nummer versehen und so anonymisiert. Erst wenn das Ergebnis des DNA-Tests verdächtig sei, wird die Identität wieder entschlüsselt, erklärt ein Polizeibeamter. Die Ergebnisse sollen in zwei, drei Wochen vorliegen.