Mehr als Mode: Nachhaltig kleiden mit Ethical Fashion
Berlin (dpa/tmn) - „Vegan“ prankt hier als großer Werbeslogan über den Schuhregalen. „Ökologisch“ steht auf den Schildern an den Kleidungsstücken. „Recycled“ und „Upcycled“ - zwei weitere Begriffe, die in den Hallen des Berliner Postbahnhofs an vielen Ständen zu hören waren.
Auf der Ethical Fashion Show (8. bis 10. Juli) stand das Thema Nachhaltigkeit ganz oben auf der Agenda. Während vor dem Brandenburger Tor die Designer-Größen ihre Kollektionen präsentierten, stellten auf der Ethical vor allem Jung-Designer und kleine Labels aus - mit einem gemeinsam Anliegen: Mode zu machen, die umwelt- und sozialverträglich ist.
„Tuschimo“: Designerin Arosha Rosenberger hat das Label 2014 gegründet. Sie will sich dem Thema Umwelt erst einmal rein äußerlich verschreiben: Die schwarz-weiße Kollektion stehe für Reinheit und Natur, die bunte Kollektion für Schmetterlinge, Vögel, „ein bisschen Flower Power“. Nachhaltig werde die Kollektion zunächst dadurch, dass die Einzelstücke vielfach kombinierbar seien, sagt Rosenberger - so braucht man nicht zahlreiche Outfits. Die Stoffe sind teils aus recycelten Pep-Flaschen. Um wenig Stoff zu vergeuden, gestaltet Rosenberger aus den Resten gerne Accessoires wie Taschen.
„Rockbody“: „Wir möchten uns von der Modewelt etwas distanzieren“, sagt Sales Director Siegfried Esau. Das klingt etwas paradox, wo er doch vor einer ganzen Kleiderstange voller Mode steht. Anspielen will er damit auf die häufig wechselnden Kollektionen der großen Marken. Bei dem kleinen Label „Rockbody“ erweitert man stattdessen die existierende Kollektion. Bislang besteht die aus Pullovern und T-Shirts für Männer aus Bio-Baumwolle, allesamt pastellig, „nix Knalliges“, sagt Esau. Man will in den Leuten das Bewusstsein wecken, nicht jeden Trend mitmachen zu müssen, erzählt er.
„Edelreich von Eschenbach“: Designerin Verena Ebner von Eschenbach stieg vor Jahren erst einmal aus dem Modegeschäft aus - bewusst, sagt sie. Wegen der Arbeitsbedingungen in den textilverarbeitenden Ländern. Später stieg sie mit dem eigenen Label wieder ein. Nun produziert sie mit zwei Familienbetrieben in Nepal Kleidung aus Wolle. Das Auskämmen geschehe, wenn Ziege oder Rind ohnehin gerade ihren Haarwechsel haben, erzählt sie. Wie so viele Designer auf der Ethical hebt sie die Qualität der Kleidung hervor: Sie soll lange halten, kein Wegwerfprodukt sein. „Keiner braucht Klamotten.“
Susanne Paß sieht beim Thema Nachhaltigkeit in der Mode viel Bewegung. „Am Anfang war man vielen Anfeindungen ausgesetzt“, erzählt die Geschäftsführerin vom Dialog Textil-Bekleidung (DTB). Als grüne Spinner wurde man teils abgestempelt. „Mittlerweile finden es ganz viele Unternehmen wichtig.“ Dort werde nun öfter zumindest ein Teil der Produkte nachhaltig hergestellt. Teils kämen die Anfragen an den DTB nicht mehr nur von der CSR-Abteilung der Unternehmen - sie kümmert sich um den Bereich soziale Verantwortung - sondern schon von den Designern.
Auch das Feld beim Thema Nachhaltigkeit sei viel breiter geworden. Früher stand besonders die Chemie im Vordergrund. Jetzt sind es neben der Umwelt auch die Sozialstandards in der Produktion. Doch ein großes Problem bleibt: der Preis. Zwar sage jede Studie, dass Verbraucher durchaus Wert auf nachhaltige Mode legen, sagt Paß. Aber: „Wenn es ums Geld geht, ist es ein kleiner Teil, der bereit ist, da mehr zu bezahlen.“
„Wanaka Precycled“: André Meyn möchte mit seinem Label Surfer-Flair und Umweltverträglichkeit verbinden. Zwei Jahre arbeitete er in einer großen Textilfabrik in Pakistan. Die Umweltverschmutzung dort habe ihn schockiert, sagt er heute. Jetzt macht er Mode aus organischer Baumwolle und recyceltem Polyester. „"Urban Outdoor" - so lässt sich die Kollektion am besten beschreiben.“ Die Farben sind leuchtend, die Schnitte sportlich. Das „Precycled“-Symbol - Meyn hat es als Marke angemeldet - ähnelt dem Recycling-Zeichen. Der Sinn dahinter: Bevor es ans Recyceln gehen muss, sollte man sich schon Gedanken machen: Was füge ich der Umwelt zu? Produziert wird in Portugal. „Ich find's cool, den Standort Europa zu fördern.“
„Phil & Lui“: Dieses Label stammt von Phil Seidl und Caroline Luisa Klein. Bei ihnen sind die meisten Schritte - Färbung, Print, Stickereien, Waschung - GOTS-zertifiziert, das steht für Global Organic Textile Standard. Nur die Näherei hat das Zertifikat nicht - sie könne es sich nicht leisten, erzählt Klein. Ihre Kollektion hat viel „Used“-Charakter, das passt irgendwie zur Halle - und sogar zum Kleiderbügel. Den hat eine Freundin aus Holz-Abfall gemacht, ein weiteres Upcycling-Projekt. Für die Basics nutzen die Designer Baumwolle aus den USA - produziert wird ebenfalls in Portugal.
„959“: Am Stand von Paolo Ferrari bleibt man automatisch stehen: Sind das da wirklich Sicherheitsgurte, aus denen die Taschen gemacht sind? „Ja“, antwortet der Italiener. Auf dem Schrottplatz nahe seines Wohnorts sammelt man für ihn die Gurte - er designt daraus Taschen und Körbe, sogar kleine Hocker. „Man kann einem Produkt ein zweites Leben geben“, sagt er.
René Lang, Präsident des Netzwerks deutscher Mode- und Textildesigner (VDMD), bewertet die Bewegung hin zu mehr nachhaltiger Mode erst einmal positiv: „Der Weg ist schon eingeschlagen, und es ist der richtige“, sagt er. Die kleinen Start-ups machen es den großen Unternehmen vor. Von den etwa 620 Mitgliedern des VDMD beschäftigen sich mittlerweile rund 30 mit dem Thema Nachhaltigkeit.
Doch bei dem Thema gibt es auch Widersprüche, die nicht allzu schnell gelöst werden dürften. „Was ich 20 000 Meilen über die Meere schippern muss, das hat schon ein Nachhaltigkeitsmanko“, gibt er ein Beispiel. Gleichzeitig könne man aber auch nicht von heute auf morgen die Produktionsstätten wechseln. „Wir haben auch eine Verantwortung den Arbeitern gegenüber.“ So einen Widerspruch gebe es auch bei der Baumwolle: 100 Prozent organische Baumwolle ist zwar gut. Nur verbraucht die Produktion extrem viel Wasser. An Alternativen werde aber gearbeitet, sagt Lang.
Den Preis sieht der Fachmann dagegen gar nicht so kritisch. Faire Bedingungen für die Arbeiter würden das Kleidungsstück zum Beispiel nur unwesentlich teurer machen. „Konsum kann und sollte auch bedeuten, sich einen bestimmten Luxus zu gönnen.“ Bei den Lebensmitteln sei das auch schon beim Kunden angekommen. Die Modeszene hinkt noch etwas hinterher.