Weltfrauentag Mehr Frauen finanziell eigenständig, aber Armutsgefährdung hoch

Licht und Schatten zum Weltfrauentag: Zwar können deutlich mehr Frauen von ihrer Arbeit leben als früher. Aber mehr als früher sind auch von Armut bedroht. Wie groß sind die Fortschritte wirklich?

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Berlin. Deutlich mehr Frauen als vor einigen Jahren können von ihrem Job leben. Allerdings hat auch ihre Armutsgefährdung in Deutschland zugenommen. Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen ist hierzulande so groß wie in fast keinem anderen EU-Staat. Informatikerinnen bleiben zudem oft kinderlos. Das zeigen aktuelle Statistiken zum Internationalen Frauentag an diesem Donnerstag.

2016 bestritten 72 Prozent der Frauen zwischen 25 und 55 Jahren ihren Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden berichtete. Zehn Jahre zuvor waren es noch 64 Prozent. Bei Männern der gleichen Altersgruppe konnten 2016 insgesamt 86 Prozent durch Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt bestreiten. Im Jahr 2006 waren es 83 Prozent gewesen.

Der Anteil der von Armut bedrohten Frauen stieg in Deutschland binnen zehn Jahren aber von 13 Prozent bis auf 17,8 Prozent im Jahr 2016. 2015 waren es wie im Jahr davor noch 17,4 Prozent. EU-weit lag der Anteil 2016 bei 17,9 Prozent. Auf diese Zahlen des Europäischen Statistikamts Eurostat machte die Linksfraktion im Bundestag aufmerksam.

Waren 2006 noch 5,4 Millionen Frauen in Deutschland armutsgefährdet, waren es zehn Jahre später 7,3 Millionen. Die Armutsgefährdung von Männern liegt mit 15,2 Prozent (2016) deutlich unter der von Frauen. Als von Armut bedroht gilt, wer bei unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. 2016 waren dies 1063,75 Euro pro Monat.

Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen ist in Deutschland dabei so groß wie in fast keinem anderen EU-Land. Das sogenannte unbereinigte Verdienstgefälle lag in der Bundesrepublik 2016 bei 21,5 Prozent, wie Eurostat in Luxemburg mitteilte. Höher war der Wert nur in Estland (25,3) und Tschechien (21,8).

Am geringsten war die so gemessene Lohnlücke - in dieser Form ohne Berücksichtigung von Tätigkeit, Erfahrung, Qualifikation, Alter und Teilzeit - in Rumänien (5,2), Italien (5,3) und Luxemburg (5,5). Im EU-Durchschnitt lag die Differenz 2016 bei 16,2 Prozent.

In Deutschland bleiben Akademikerinnen weiter besonders oft kinderlos - vor allem Frauen mit Jobs in der Informations- und Kommunikationstechnik. Bei ihnen beträgt der Anteil laut Statistischem Bundesamt 40 Prozent. Besonders niedrig ist die Quote kinderloser Frauen dagegen mit 9 Prozent bei Reinigungsberufen, wie die zuletzt erhobenen Zahlen aus dem Jahr 2016 zeigen.

Bei Akademikerinnen sank die Quote der Frauen ohne Kind leicht von 28 auf 27 Prozent, bei Frauen ohne akademischen Abschluss verharrte sie bei rund 20 Prozent. Insgesamt bleibt jede fünfte Frau kinderlos.

Frauenministerin Katarina Barley (SPD) betonte, Gleichstellung passiere nicht von allein. „Im Gegenteil sehen wir, dass sicher geglaubte Fortschritte wieder in Frage gestellt werden.“ Vor allem auf dem Arbeitsmarkt müsse noch viel für die Gleichstellung getan werden. Sabine Zimmermann, Sozialexpertin der Linksfraktion, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das Thema Armut ist leider seit jeher besonders mit Frauen verbunden, da helfen auch alle Lippenbekenntnisse und Schönreden der Bundesregierung nichts.“ Im Berufsleben würden sie durch niedrige Löhne und unfreiwillige Teilzeit benachteiligt, was wiederum zu niedrigen Renten führe.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte vor rückwärtsgewandtem Denken. „Die Gleichberechtigung ist im Grundgesetz festgeschrieben“, sagte DGB-Vize Elke Hannack der dpa. „Daran sollten sich auch jene erinnern, die jetzt eine neue Konservatismus-Debatte anzetteln wollen. Ein Zurück zum Heimchen am Herd und dem Mann als Alleinverdiener - dieses Rollenmodell trägt doch längst nicht mehr.“ Die neue Regierung müsse Hürden für Gleichberechtigung abbauen: die „Entgeltlücke“, die „Arbeitszeitlücke“ und die „Rentenlücke“ zwischen Frauen und Männern. dpa