Memoiren: Joschka Fischer mit stacheligem Charme

Der frühere Außenminister präsentiert seine Erinnerungen und will künftig wieder von sich reden machen.

<strong>Berlin. Joschka Fischer hat sich einmal den "letzten Live-Rock ’n’ Roller der deutschen Politik" genannt - und seine Nachfolger "die Playback-Generation". Nach längerer selbst gewählter Abstinenz und einem Gastspiel als Professor an der US-Eliteuniversität Princeton sucht der grüne Politrocker nun wieder die große Bühne. In der Akademie der Wissenschaften in Berlin präsentierte er am Donnerstag sich selbst und seine 444 Seiten starken Erinnerungen an "die rot-grünen Jahre".

Der Andrang war groß, Fischers Aussage eindeutig. Nein, seine Rückkehr in die deutsche Politik sei ausgeschlossen, beteuerte er. "Die Tür ist zu und bleibt auch zu. Da muss niemand Sorge haben." Um dieses Dementi mitsamt der dezenten Gemeinheit gegen die Grünen-Spitze zu produzieren, brauchte der Außenminister a. D. nur wenige Minuten.

Doch offizielle Posten braucht Fischer auch nicht, um stärker aus seiner Grunewald-Villa in die Öffentlichkeit zu treten. Denjenigen in seiner Partei, die Fischers Zwischenrufe nerven, gönnt der Grünen-Patriarch keine Entspannung. Er werde sich auch in Zukunft öffentlich zu Wort melden, kündigte Fischer an. Schließlich sei er "nicht in den Trappisten-Orden eingetreten", einen Orden also, in dem die Mönche ein Schweigegelübde ablegen.

Artig versprach der amtierende Grünen-Chef Reinhard Bütikofer, die Partei werde "ernst nehmen", was Fischer sage. Ein schleichender, durch die Veröffentlichung der Memoiren noch beschleunigter Prozess schmerzhafter Entfremdung zwischen den Grünen und ihrem einstigen Übervater bleibt dennoch spürbar.

Laut Fischers Verleger Helge Malchow geht es darum, in den Memoiren ein Stück Zeitgeschichte authentisch festzuhalten. "Das ist keine Abrechnung", sagte der Autor, "aber harmonisch war es nicht immer." Mit einer eigenen Form der Dialektik formuliert er: "Ich bemühe mich in der subjektiven Sicht um Objektivität."

Vielleicht hat den Politiker, der ohne Abitur zum deutschen Außenminister aufstieg, sein Jahr an der US-Elite-Uni viel stärker geprägt, als er zugeben wollte. Den amerikanischen Professoren-Titel allerdings habe er verloren, sagte Fischer. Dieser sei in den USA nur mit dem Amt verbunden. "Nennen Sie mich also Herr Fischer", riet er einem Journalisten. "Joschka geht auch." Die Charmeoffensive gipfelte in dem Satz: "Ich hätte nie gedacht, dass ich mich freue, Sie alle mal wiederzusehen."

In Zukunft wolle er viel schreiben und kommentieren - in Kolumnen, Büchern, Vorträgen. "Ich rücke den geliebten Journalisten etwas näher auf den Pelz." Auch im geplanten zweiten Band seiner Memoiren dürfte Fischers eigentümliches Verhältnis zu Altkanzler Gerhard Schröder kapitelfüllend werden.

Joschka Fischer: "Die rot-grünen Jahre", 444 Seiten, Verlag Kiepenheuer & Witsch, 22,90 Euro

Den zweiten Teil seiner Lebens-Erinnerungen plant der frühere Außenminister auch schon.