Menschenhandel: Auf der Spur der Schleuser

Wie die Polizei den Menschenhandel mit Flüchtlingen bekämpft.

Foto: dpa

Aachen. Der Zug aus Paris hält. Tim Reißmann und sein Kollege Serdar Can „scannen“ die aussteigenden Leute: Wer ist unsicher, weiß nicht richtig wohin, sieht müde aus, wirkt nervös, hat auffallend wenig Gepäck? In dieses Muster passen Flüchtlinge, die über Belgien mit dem Zug nach Deutschland einreisen. An diesem Morgen greifen die Polizisten keinen Flüchtling auf, aber tagsüber werden es noch zehn. Und in der Nacht davor waren es sieben auf der Autobahn.

In Aachen vergeht kein Tag, ohne dass die Polizei unerlaubt eingereiste Flüchtlinge ohne Ausweispapiere aufgreift. Im Jahr 2013 waren es insgesamt 2300, in diesem Jahr werden es wohl 40 Prozent mehr werden, schätzt Pressesprecher Knut Paul. Aachen hält hinter Rosenheim bundesweit Platz zwei.

Die Leute, die ohne Papiere unterwegs sind, werden erkennungsdienstlich behandelt. Dann beginnt die mühsame Vernehmung mit Hilfe eines Dolmetschers. Die Polizei will alles über die Schleusung wissen. Es sind kleine Teile eines Puzzles, aus dem die Schleusungsrouten konstruiert werden.

„Schleuserkriminalität ist die Kernaufgabe von uns“, sagt Paul. Mit Menschenhandel, zu der auch die Schleuserkriminalität zählt, werde nach Angaben der Vereinten Nationen weltweit fast so viel Geld verdient wie mit dem Drogenhandel. Mit hohem Risiko, wie die Katastrophen vor der italienischen Insel Lampedusa zeigen.

In den Vernehmungen sprechen die Flüchtlinge von einem Mohammed oder Ali. Es gibt keine Nachnamen. „Viele Flüchtlinge sind eingeschüchtert, haben Angst“, sagt Polizist Serdar Can. Die Beamten müssten erst einmal vermitteln, dass sie die Guten sind. Und dann noch dieses grundsätzliche Problem: „Für die Flüchtlinge sind die Schleuser keine Verbrecher, sondern die Erlöser.“ Trotz der oft grauenhaften Geschichten.

Wie die des 17-jährigen Syrers, dessen Vater von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) umgebracht wurde. Bei der Flucht ertranken seine beiden Brüder im Mittelmeer. „Den Schleusern ist das Schicksal der Menschen scheißegal“, sagt Paul. Dem ansonsten sachlichen Polizisten platzt der Kragen.

Aachen liegt an drei Schleuserrouten, an der Südosteuropa-Route über die Türkei, Griechenland, Italien, Frankreich und Belgien sowie an den beiden Routen von Nordafrika über Spanien oder Italien. Flüchtlinge erzählten, dass sie den Kriminellen insgesamt bis zu 15 000 Euro bezahlten. Auf Schleusungen stehen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Im vergangenen Jahr hat die Bundespolizei rund 1500 Schleuser gestellt, 70 Prozent mehr als 2012.

Die Polizei schätzt, dass die in nur etwa zehn Prozent der Fälle mit den Flüchtlingen unterwegs sind. Wie vergangene Nacht. Da haben Pauls Kollegen einen 37-jährigen Kongolesen auf der Autobahn erwischt — mit sieben Flüchtlingen. Sie wollten nach Schweden.

Der Fahrer wollte der Polizei weismachen, er sei selbst Flüchtling. Der elektronische Fingerabdruck sagte den Ermittlern etwas anderes: Es war genau der Mann, der rund zwei Monate vorher drei Afrikaner eingeschleust hatte. Beim ersten Mal blieb ihm die Haft erspart, seine Daten gingen aber in ein Informationssystem der Schengen-Staaten. Jetzt geht es ins Gefängnis.