Meteoriten-Opfer weiterhin in Klinik
Moskau/Washington/Darmstadt (dpa) - Nach dem verheerenden Einschlag eines Meteoriten in Russland behandeln Ärzte in Kliniken noch immer etwa 40 der rund 1200 Verletzten. Eine an der Wirbelsäule getroffene Frau wurde von dem Gebiet Tscheljabinsk mit einer Sondermaschine nach Moskau geflogen.
In der betroffenen Region mit rund 5000 beschädigten Gebäuden dichteten bei Extremkälte auch am Sonntag Tausende Helfer Fenster ab, wie das Zivilschutzministerium mitteilte. Dagegen hat der an der Erde vorbeigeschrammte Asteroid „2012 DA14“ nicht einmal Satelliten beeinträchtigt.
Der Gesamtschaden des Meteoriteneinschlags liege bei etwa einer Milliarde Rubel (25 Millionen Euro), Tendenz steigend, sagte der Gouverneur des Gebiets Tscheljabinsk, Michail Jurewitsch. Die Millionenstadt Tscheljabinsk ist das Zentrum der betroffenen Region. Insgesamt waren in den verschiedenen Städten des Gebiets rund 24 000 Menschen im Einsatz, um bei bis zu minus 20 Grad Celsius die Schäden des folgenreichsten Einschlags eines Geschosses aus dem All seit Menschengedenken zu beseitigen.
Bei Temperaturen um die minus 20 Grad dichteten sie vor allem Fenster mit neuem Glas oder Wärmefolie ab. Fast 37 000 Quadratmeter zerstörte Fensterfläche seien wieder winterfest gemacht worden, teilte die regionale Zivilschutzbehörde mit. Insgesamt seien rund 200 000 Quadratmeter Glas beschädigt worden.
Nach Angaben der Gesundheitsbehörden suchten noch zusätzlich rund 90 Menschen nach der Naturkatastrophe medizinische Hilfe auf. Angaben zu den Beschwerden machten die Mediziner zunächst nicht. Die Zahl der Verletzten wurde am Sonntag auf nunmehr 1240 angegeben, wie die Agentur Itar-Tass meldete. Hunderte Menschen hatten nach dem Meteoriteneinschlag am Freitag Schnittwunden durch zerberstende Scheiben erlitten.
An der Vorderseite der Eisschnelllaufhalle von Tscheljabinsk entstand ein riesiges Loch, die zweite Etage stürzte ein und Teile des Daches wurden beschädigt. In der Arena, die im Vorjahr schon Gastgeber eines Weltcups war, sollten 2015 die Mehrkampf-Europameisterschaften stattfinden.
Der Gesteinsbrocken war russischen Astronomen zufolge mit einem Tempo von rund 20 Kilometern pro Sekunde - 72 000 Stundenkilometern - durch die Atmosphäre gerast, heizte sich zu einem glühenden Feuerball auf und zerplatzte in einer Höhe von 30 bis 50 Kilometern. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa sprach von 20 Kilometern. Der Auftreffwinkel war nach Nasa-Angaben mit weniger als 20 Grad recht flach.
Russische Taucher suchten am Samstag drei Stunden lang in dem See Tscherbakul etwa 80 Kilometer von Tscheljabinsk entfernt nach Teilen des Meteoriten - ohne Erfolg. Die Behörden müssten künftig besser vorbereitet sein auf einen solchen Meteoriteneinschlag, sagte Zivilschutzminister Wladimir Putschkow. Deshalb werde nun an einem neuen System für eine schnellere Reaktion gearbeitet.
„Er war schlicht zu klein, um von dem globalen Beobachtungssystem gesehen zu werden“, sagte James Gleason von der Universität Michigan. Nach Berechnungen der Nasa kreuzte der Himmelsbrocken zunächst die Bahnen von Merkur und Venus und kam dem Mars sogar recht nahe. Erst dann kollidierte er mit der Erde. „Einige Tausend Meteoriten treffen jeden Tag die Erde. Die große Mehrheit geht aber über Ozeanen und unbewohnten Gebieten nieder oder wird im Tageslicht gar nicht gesehen“, teilte die Nasa mit.
Der Meteoriteneinschlag stand in keinem Zusammenhang mit dem Asteroiden „2012 DA14“, der am Freitagabend knapp an der Erde vorbeigeflogen war, wie die US-Raumfahrtbehörde Nasa erläuterte. Nach Angaben der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa wurden weltweit keine Esa-Satelliten- und Bodenstationen von dem Asteroiden gestört.
„Auch sonst haben wir nichts von Auswirkungen gehört, obwohl der Asteroid durchaus in die Nähe anderer Satellitenbahnen gekommen ist“, sagte Esa-Sprecher Bernhard von Weyhe in Darmstadt. „Es gab auch keine elektromagnetischen Störungen beim Vorbeiflug.“ Nach ersten Esa-Auswertungen war der Asteroid rund 130 000 Tonnen schwer, hatte einen Durchmesser von etwa 50 Metern und enthielt große Anteile von Metall.
Die Esa hofft nun auf mehr Mittel zur Erforschung und Abwehr solcher Himmelskörper. „Wenn so ein großer Brocken eines Tages direkt auf die Erde zufliegen würde, müsste man eine Ablenkungsmission starten“, sagte von Weyhe. „Derzeit sehen wir so etwas nicht, aber es gibt ein paar kritische Kandidaten in ein paar Jahrzehnten.“ Der über Russland niedergegangene vergleichsweise kleine Meteorit habe gezeigt, „dieses Risiko ist nicht gleich null“.