Minimalisten - Konsum in einer neuen Dimension
Pforzheim (dpa) - Minimalisten reduzieren ihren Besitz, um bewusst und selbstbestimmt zu leben. Sie gewinnen dadurch freie Gedanken und empfinden das als Luxus. Minimalisten sehen in ihrem Handeln auch eine umweltbewusstere Lebensweise.
Wer nur wenig besitzt, ist glücklicher, ausgeglichener und hat mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben - zu diesem Schluss kommen die sogenannten Minimalisten, die sich bei Hab und Gut stark einschränken. Steffen Frys teilt diese Ansicht und hat dem Thema seine Abschlussarbeit gewidmet. An der Hochschule Pforzheim studierte er Visuelle Kommunikation und beschäftigte sich damit, wie Design Informationen glaubhaft vermitteln kann. Sein Projekt „Minded“ soll Menschen anregen, sich über ihr Konsumverhalten Gedanken zu machen.
Minimalisten distanzieren sich bewusst von der Meinung, Ziel im Leben seien große Besitztümer. In der Ausprägung gibt es dabei zwei grobe Hauptrichtungen, wie Bernd Vonhoff, Vorstand des Berufsverbandes Deutscher Soziologinnen und Soziologen, erklärt. Einige wollten vor allem gegen die heutige Konsumgesellschaft und den Konsumzwang protestieren und wieder selbstbestimmter leben. Den anderen ginge es vermehrt darum, den Stresslevel in Form unzählbarer Wahlmöglichkeiten und die Reizüberflutung durch die Medien zu verringern.
Ihren Besitz zu verkleinern bedeutet für Minimalisten gleichzeitig, mehr Zeit für Freunde, soziale Kontakte und Hobbys zu haben, meint Frys. „Zeit ist die knappste Ressource des Menschen“, schreibt er dazu in seiner Arbeit. „Da der Tag nur 24 Stunden hat, kann man nur ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit spenden, das sind menschliche Voraussetzungen. Da wir uns mehr Dinge leisten können, als wir Aufmerksamkeit haben, überfordern wir uns permanent.“
Für Sebastian Michel ist der materielle Aspekt aber nur eine Seite der Medaille. Der selbst ernannte Minimalist aus Berlin hat das Konzept 2011 für sich entdeckt und schreibt ein eigenes Blog dazu. „Das wundervolle am Minimalismus ist für mich das philosophische dahinter - das Aufräumen/Aussortieren et cetera von materiellen Dingen ist da nicht mehr als ein womöglich wichtiger erster Schritt“, findet er. Ihm gehe es vor allem darum, mehr Bewusstsein zu empfinden und sich klarzumachen, was man wirklich möchte.
Frys sieht im Minimalismus außerdem die Chance, ein umweltbewussteres Handeln zu verbreiten. Wenn weniger gekauft würde, müsste auch weniger produziert werden. Auch Vonhoff erkennt hier einen Zusammenhang: „Menschen, die genügsam leben, nehmen von der Natur nur, was sie brauchen. Damit leben sie automatisch nachhaltig.“ Dinge nicht zu besitzen, bedeutet aber nicht, gänzlich auf sie verzichten zu müssen. Zu tauschen und zu teilen - wie beim Car-Sharing - sei ebenso Teil des Konzepts.
Mit „Minded“ (deutsch: gesonnen, gewillt) möchte Frys nun die Lebensweise Minimalismus bekannter machen und die Menschen für Themen wie Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung sensibilisieren. Das Projekt soll sich als neue, eigenständige Marke etablieren - ohne Vorurteile. Denn viele Plattformen erinnern seiner Meinung nach zu oft an die Ökoaktivisten der 1980er Jahre und das da gepredigte Verzichten. „Wenn man allerdings seinen eigenen Lebensstil richtig durchdenkt und bewusster mit sich selbst umgeht, muss man weder entbehren noch ein besonders eingeschränktes Leben führen“, sagt Frys. „Im Gegenteil: Man kann seinen eigenen Alltag entrümpeln und erlebt dadurch noch eine Verbesserung seiner eigenen Lebensqualität.“
Richtig oder falsch gibt es dabei nicht. Frys möchte keine festen Regeln ausgeben. „Wer sich einen Porsche kaufen möchte, soll das ruhig tun. Solange er sich bewusst dafür entscheidet und sicher ist, dass er ihn braucht.“ Jeder müsse seinen eigenen Weg und das Optimum für sich finden. Und auch Michel meint: „Ich bin kein Freund davon, Lebensweisen zu klassifizieren oder als Ideal darzustellen.“
Frys plant „Minded“ als Webplattform. „Ich habe schon eine Informationsstruktur - also einen Businessplan - im Kopf und das Konzept und die Gestaltung stehen auch schon.“ Nun braucht er Leute vom Fach, die programmieren können. Dafür setzt er zum Beispiel auf Kontakte über Soziale Netzwerke.
Auch für die Verbreitung seines Konzepts sieht er das Internet als perfekten Kommunikationskanal. Dort ließe sich die Zielgruppe für Minimalisten ideal - sprich: effizient, aktuell und ressourcenschonend - ansprechen. Verdienen möchte er an seinen Ideen aber nicht. „Ich sehe es als Dienst an der Bevölkerung, etwas für die kommenden Generationen zu tun.“