Mit dem Wohnwagen zur EM

Der deutsche Camper Manfred Walter ist zum Medienstar im ukrainischen EM-Ort Charkiw geworden.

Charkiw. Der Gegner schlägt ein Heerlager auf. 1200 Holländer fallen in diesen Tagen in das ostukrainische Charkiw ein. Mit High-Tech-Zelten vom Typ „Brüllender Löwe“ errichten sie ihr Oranjecamp und wappnen sich für die Vorrundenspiele ihrer Mannschaft. Der deutsche Camper Manfred Walter dagegen ist allein. Fast allein, denn Zwergpinscher Immo weicht nicht von seiner Seite.

Walter hat sein Wohnmobil im Herzen von Charkiw geparkt. „Ich dachte, irgendwie komme ich hier an eine Karte für das Spiel gegen Holland“, erzählt er. Der pensionierte Polizist aus Bad Pyrmont ist ein gemütlicher Mann im Alter von 63 Jahren. Herzlich bittet er zum Kaffee in seinen Wagen. Abends lädt er ukrainische Passanten zum Bier ein. Betulich aber ist der Pensionär nicht. „Ich fahre seit 20 Jahren durch Europa und gucke mir die Länder, die Leute und das Leben an“, berichtet er. Besonders angetan hat es ihm der Osten des Kontinents. „Es gibt hier mehr Schönheit zu entdecken — bei den Frauen wie in der Natur.“

Walter ist geschieden, die drei Kinder sind erwachsen. Die EM war für den Fußball-Fan der perfekte Anlass, um auf Tour zu gehen. Wenn ihn Polizisten auf der mehr als 1000 Kilometer langen Fahrt von der polnischen Grenze bis nach Charkiw anhielten, um den landesüblichen Wegezoll zu kassieren, berief er sich auf seinen alten Job. „Ich deutsche Polizei, Chef.“ Das habe er den ukrainischen Kollegen in ein paar Brocken Russisch beigebracht.

Auch eine Karte für das Hollandspiel hält Walter inzwischen in Händen. Tagelang sprach er mit Einheimischen, verhandelte, schacherte ein wenig. „Alle Angebote waren Wucher.“ Dann wurden die Medien auf den „verrückten Camper aus Deutschland“ aufmerksam. Das „Charkiwer Abendblatt“ schrieb über ihn. Ein lokaler Fernsehsender klopfte an. „Am nächsten Tag stand Vitali vor der Tür und schenkte mir ein Ticket für das Hollandspiel. Einfach so.“

Vitali, ein wildfremder Ukrainer, herzlich und ohne Hintergedanken. Natürlich zeigte sich Walter erkenntlich. Aber das war schon zweitrangig. Der Camper, der vor zwei Jahren eine schwere Kopfoperation überlebt hat, sieht die Dinge von einer anderen Warte aus. Mit diesem Fan sind auch die brüllenden Löwen aus Holland zu schlagen.