NRW-Polizei: Verbrecherjagd im Internet

Immer öfter nutzen Bürger die Online-Wache der NRW-Polizei. Aufgespürt werden sollen dort potenzielle Amokläufer — aber auch Fahrraddiebe.

Düsseldorf. „Ich verabscheue Menschen.“ Das soll der 18-Jährige in seinem Abschiedsbrief geschrieben haben, den er online hinterließ. Am 20. November 2006 betrat Bastian B. seine Schule in Emsdetten und schoss auf Mitschüler, elf Menschen wurden verletzt. Der Täter tötete sich anschließend selbst. Dieser Amoklauf, so weiß man heute, hätte vielleicht verhindert werden können. Bereits zwei Jahre zuvor kündigte der Schüler seine Tat in einem Internetforum an.

Seit Emsdetten gibt es in NRW ein sogenanntes Hinweisportal im Internet, an das sich Nutzer wenden können, wenn sie in einem Chat oder Forum Ankündigungen lesen wie die von Bastian B.. Am anderen Ende der Leitung sitzt 24 Stunden am Tag der Lagedienst des Landeskriminalamtes (LKA) und arbeitet die Nachrichten ab.

Im vergangenen Jahr gingen 4455 Hinweise ein — rund zwölf pro Tag. 2007 waren es noch 1788. Aber nicht nur für Hinweise auf mögliche Amokläufe ist der Internetdienst gedacht. „Uns werden auch Einträge weitergeleitet, die auf Sexualdelikte oder Waffenmissbrauch hindeuten“, berichtet Michaela Heyer vom Landeskriminalamt.

Steigende Nutzerzahlen verzeichnet das LKA auch beim Strafanzeigenportal, das bereits 2004 an den Start ging. Im vergangenen Jahr wurden dort 55 991 Anzeigen erstattet. Damit ist NRW Spitzenreiter im Bundesvergleich. Zehn weitere Bundesländer bieten diesen Service an. „Meist geht es dabei um Eigentumsdelikte, Sachbeschädigungen oder Betrug“, zählt die Sprecherin des nordrhein-westfälischen LKA auf.

In einem Formular können Nutzer Angaben zur Straftat machen. So weit es möglich ist, will die Polizei den Bürgern damit den Gang zur Wache ersparen. „Etwa, wenn man nach der Arbeit zu Hause ankommt und feststellt, dass das Auto zerkratzt ist oder das Fahrrad gestohlen wurde“, erläutert Michaela Heyer.

Doch nicht immer genügen die Angaben. Dann muss die Person mit dem Kratzer im Lack trotzdem zur nächsten Dienststelle fahren. Zum Beispiel, wenn die Angaben ungenau oder fragwürdig sind.

Vor falschen Beschuldigungen soll ein Belehrungstext am Internetformular abhalten. Nicht besonders abschreckend. Heyer beruhigt jedoch: Jede Online-Anzeige wird an die zuständige Wache weitergegeben und dort überprüft.

Dass das Internetportal zu einem unendlichen Raum für Diffamierungen verkommt, glaubt die Sprecherin nicht: „Man konnte auch vorher schon anonyme Briefe schicken.“ Derzeit ist das übrigens die einzige Möglichkeit — abgesehen vom persönlichen Kontakt — sich an die Polizei zu wenden.

Denn ein Sicherheitsproblem legt das Internetangebot der Polizei NRW seit Ende Januar lahm. „Eine IT-Sicherheitsfirma hat gravierende Sicherheitsmängel entdeckt“, sagt Inka Gieseler-Wehe vom Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste. Die Seite war nicht vor Hackerangriffen geschützt. Persönliche Daten von Nutzern seien jedoch nicht in Gefahr gewesen.

In Teilen ist die Seite wieder am Netz — bis die Strafanzeigenformulare verfügbar sind, werden allerdings noch einige Wochen vergehen. Ein genaues Datum nennt die Sprecherin nicht. Per E-Mail können aber weiter Strafanzeigen gestellt werden.