Mit einem Bein ins Modelgeschäft
Mario Galla (26) aus Hamburg ist auf dem Laufsteg gefragt — trotz seiner Prothese.
Hamburg. Paris, Mailand, London, Mario Galla führt das klassische Leben eines Models. Der 26-Jährige mit dem markanten Gesicht kann aber keinen perfekten Körper im herkömmlichen Sinn vorweisen. Seit seinem zweiten Lebensjahr trägt er eine Prothese, weil er mit einem verkürzten Bein zur Welt gekommen ist. Trotzdem hat es der Hamburger ins Business geschafft.
Nun hat Mario Galla ein autobiografisches Buch geschrieben: „Mit einem Bein im Modelbusiness“, das er als „Mutmachbuch“ bezeichnet. „Es ist für mich eine gute Möglichkeit, Menschen zu helfen“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung.
Wann Mario Galla selbst Mut braucht? In der bis jetzt schlimmsten Situation, die er in seinem Leben meistern musste, brauchte er Courage. Bei einem Casting für einen Job hat ihn ein französischer Designer „aufs Übelste“ beschimpft. „Als er meine Prothese gesehen hat, sagte er: Ich bin nicht die Wohlfahrt. Ich will keinen Krüppel.“
Etwas Mut habe er auch gebraucht, als das Interesse an ihm stieg. Der Auslöser: Der Auftritt in kurzer Hose bei der Michalsky-Show während der Fashion-Week in Berlin 2010. Die Aufregung um seine Person kann er inzwischen nachvollziehen, es sei ungewöhnlich: „Wenn jemand im Rollstuhl an mir vorbeifährt, gucke ich ja auch hin“, gesteht er.
Bis dato fand Mario Galla selbst seine Geschichte eigentlich normal. „Mir ist erst jetzt bewusst, dass das Modeln als Behinderter eine Extremsituation darstellt“, sagt Galla. „Ich habe mir nie sagen lassen, dass ich irgendetwas nicht kann.“ Abgesehen von einem Punkt: Er darf in Deutschland kein Auto mit Schaltgetriebe fahren. „Obwohl ich es kann“.
Seit seinem zweiten Lebensjahr trägt er die Prothese. „Ich konnte als Kind ganz normal toben“, erinnert sich Galla, der sich selbst nicht als behindert wahrnimmt. Er hat eine reguläre Schule besucht, im Sportunterricht mitgemacht und ambitioniert Basketball im Verein gespielt — mit Nicht-Behinderten. Zu der Zeit hat er seine Carbon-Prothese mit Designern entwickelt. „Ich wollte ’ne richtig geile Prothese, die nicht so opfermäßig aussieht“, sagt Galla. „Ich habe nie an diesem Behindertenleben teilgenommen.“
Als ihn 2007 ein Modelscout anspricht, stellt er sich bei der Agentur vor. Dort war man zwar überrascht, als Galla seine Prothese zeigte, das Problem habe aber woanders gelegen. „Ich habe 90 Kilo gewogen und musste mich auf 77 Kilo runter trainieren.“
Vorher habe der Hamburger nie daran gedacht zu modeln. Inzwischen ist er auf Plakaten, Zeitungscovern und Laufstegen weltweit zu sehen — und kann gut davon leben. „Ich bin so der Editorialtyp, nicht so der typische Schönling“, beschreibt sich Galla selbst. Sein deutsches Aussehen, blonde Haare und blauen Augen, sei besonders außerhalb Deutschlands gefragt.
„Es ist toll, wenn man sich in Mailand oder Paris an einer Bushaltestelle hängen sieht“, sagt Galla. Ihm gefällt am Modeln besonders das Ergebnis, Plakate und Fotos. „Das ist ein gutes Gefühl fürs Ego“, sagt Mario Galla. Und die Gagen seien nicht zu verachten.
Modeln will er, solange kein „körperlicher Verfall“ einsetzt. Ansonsten will er „irgendwas mit Medien machen“, deshalb studiert Mario Galla noch Medienwissenschaft in Hamburg.