NRW Mordfall in Hille: 14 Pferde, drei tote Männer und kein Motiv

Ein Maurer und Pferdebesitzer hat gestanden, einen 30-Jährigen erschlagen zu haben. Auf dem Grundstück des 51-Jährigen im ostwestfälischen Hille wurden zwei weitere Leichen entdeckt. Handelt es sich um eine Mordserie?

in Absperrband hängt an der Rückansicht des Hofes in Hille.

Foto: Guido Kirchner

Hille. „Achtung Pferde!“ steht auf einem Schild in der Einfahrt des alten Hofes. Das schäbige Scheunentor ist liebevoll mit Pferdemotiven, Kränzen und Vogelhäuschen dekoriert. Hier wohnt der mutmaßliche Seriemörder gemeinsam mit seiner Ehefrau - das Paar war vor einigen Jahren aus Duisburg aufs Land nach Hille bei Minden gezogen und züchtete Pferde.

Der am Samstag in Bayern gefasste 51-jährige Deutsche Jörg W. hat gestanden, einen 30-Jährigen aus dem niedersächsischen Stadthagen auf dem Nachbarhof erschlagen zu haben. Die Ermittler prüfen nun, ob es sich sogar um eine Mordserie handelt.

Es ist ein verworrener Fall, dessen schreckliches Ausmaß erst nach und nach ans Licht kommt: Zunächst hatten Polizisten die Leiche des von seiner Familie als vermisst gemeldeten 30-Jährigen auf dem Hof des 71-jährigen Nachbarn von Jörg W. in Hille entdeckten. Die Spur führte zu dem 51-Jahrigen, der laut Polizei „möglicherweise eine Geschäftsbeziehung“ zu dem Opfer aus dem niedersächsischen Stadthagen hatte. Beide sollen auch als Maurer gearbeitet haben.

Am Samstag fassten die Beamten den Zwei-Meter-Mann mit dem kahlrasierten Schädel nach einer öffentlichen Fahndung nahe der österreichischen Grenze. Bisher gestand der Verdächtige, den 30-Jährigen mit einem Hammer erschlagen zu haben. Doch auch der 71-Jährige ist schon seit mindestens einem halben Jahr verschwunden. Auch ein 65-Jähriger, der auf dem Pferdehof des mutmaßlichen Mörders lebte und arbeitete, ist wie vom Erdboden verschluckt.

Am Mittwochabend entdeckten die Ermittler mit Hilfe von Spürhunden zwei vergrabene Leichen auf dem Grundstück des 51-Jährigen. Klarheit zur Identität der Toten und die Todesursache soll eine Obduktion der beiden Leichen bringen. Die Kriminalbeamten sind auf der Suche nach einem Motiv, am Donnerstag befragen sie Bewohner der umliegenden idyllischen Höfe. „Wir prüfen alle Finanzen, auch des 71-Jährigen und des 65-Jährigen“, sagt Polizeisprecherin Kathryn Landwehrmeyer. „Wir müssen ermitteln, ob er sich vielleicht die Rente eingesteckt hat.“

Weder der 71-Jährige noch der 65-Jährige waren als vermisst gemeldet worden. Auf dem Hof des 71-Jährigen liegt Gerümpel herum, die Haustür und das grüne Scheunentor sind von der Polizei versiegelt. Durch das Fenster zur Straße sind drei Bierkisten in der Küche zu sehen, auf dem Tisch liegen Pizzakartons. Ist es denn niemandem aufgefallen, dass der allein lebende Witwer verschwunden war?

Im Ort hieß es, er mache eine Entziehungskur. „Wir können es nicht fassen“, sagt eine 92 Jahre alte Frau an der Tür des gepflegten Hauses nebenan. Fragt man nach dem aus Duisburg zugezogenen Paar, gibt es unterschiedliche Bewertungen. Sie hätten ihre Pferde nicht so gehalten, wie es man es im reitbegeisterten Hille für richtig hält, sagt eine Bewohnerin des Ortsteils Neuenbaum. Die Frau auf dem Hof habe auch Kindern Reitunterricht gegeben. Manchmal habe man dem Mann etwas Heu für die Pferde gebracht. Aber dann sei der Kontakt abgebrochen.

„Es ist erschreckend“, sagt eine andere Frau. „Ich habe immer gedacht, so etwas passiert mir nicht. Ich weiß, was in der Nachbarschaft los ist.“ Ein älterer Mann fährt mit dem Auto an der Koppel mit den 14 Pferden und Ponys vorbei und kurbelt die Scheibe herunter. „Ich hätte dem Mann niemals so etwas zugetraut“, sagt der Rentner. „Er hat immer gearbeitet, als Maurer und an der Tankstelle.“

Nach Polizeiangaben ist Jörg W. nicht vorbestraft. Der „Bild“-Zeitung zufolge hat er vor Nachbarn mit seinen Kampfeinsätzen als Fremdenlegionär geprahlt. „Ich weiß genau, wie man einen Menschen tötet“, soll er gesagt haben. Die Polizei bestätigt, das Jörg W. von 1989 bis 1991 bei der Fremdenlegion war und aufgrund einer Verletzung ehrenhaft entlassen wurde.

Jörg W. konnte am Samstag von Spezialkräften in einem Hotel in Reit im Winkl gefasst werden. Rund zwei Stunden zuvor hatte die Polizei ein Fahndungsfoto veröffentlicht, auf dem der Mann in Ganoven-Pose mit einer Pistole vor seinem Kombi steht. Die Fahnder äußern sich bisher nicht dazu, ob er Waffen besaß.

Gegen die Ehefrau des mutmaßlichen Mörders wird nicht ermittelt. Sie hatte ihren Mann selbst als vermisst gemeldet. Zunächst hatten die Ermittler deshalb sogar eine Entführung des 51-Jährigen und seines 30 Jahre alten Opfers nicht ausgeschlossen. Zu den beiden weiteren Leichenfunden konnte Jörg W. noch nicht befragt werden. Er sitzt zunächst in Untersuchungshaft in Bayern und soll noch nach Nordrhein-Westfalen überführt werden.