Prozess um Dreifachmord in Hille: Anklage offenbart rohe Gewalt

Bielefeld (dpa) - „Mörder!“ ruft ein Hinterbliebener im Zuschauerraum, als die beiden Angeklagten in den Saal des Landgerichts Bielefeld geführt werden. Mord in drei Fällen lautet der Vorwurf, den kurz danach die Staatsanwaltschaft an diesem ersten Prozesstag verliest.

Einer der Angeklagten betritt einen Sitzungssaal im Landgericht in Begleitung eines Justizbeamten.

Foto: Friso Gentsch

Ein knappes halbes Jahr nach den Leichenfunden auf zwei Höfen im ländlichen Hille in Ostwestfalen hat am Montag der Prozess gegen den ehemaligen Fremdenlegionär Jörg W. (51) und seinen mutmaßlichen Mittäter, den Zeitsoldaten Kevin R. (24), begonnen.

Die beiden Deutschen sollen gemeinsam drei Menschen getötet haben, um sich an ihnen zu bereichern. Zwei Opfer, ein alkoholkranker Nachbar (72) und ein Hilfsarbeiter, wurden vor etwa einem halben Jahr vergraben auf dem Grundstück von W. gefunden. Das dritte Opfer, ein 30-Jähriger aus dem niedersächsischen Stadthagen, war von seiner aus dem Libanon stammenden Familie als vermisst gemeldet worden. Die Suche nach ihm hatte die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Zuerst wurde seine Leiche auf dem Nachbargrundstück gefunden, danach stießen die Ermittler in einer aufwendigen Suche auf die ebenso übel zugerichteten anderen beiden, die seit Monaten verschollen waren.

Schon die nüchtern vorgetragene Liste der Verletzungen der Opfer lässt schaudern: zertrümmerte Schädel- und Gesichtsknochen, Hirnverletzungen, Rippenbrüche - mit roher Gewalt sollen die beiden Angeklagten bei allen drei Opfern zugeschlagen haben. Zum Einsatz kamen zum Beispiel Ziegelsteine, wie Staatsanwalt Christopher York mit Verlesung der Anklageschrift berichtet. In einem Fall soll Jörg W. mit einem Kampfmesser viermal zugestochen haben.

Den Gesichtern der Männer auf der Anklagebank ist nicht abzulesen, was in ihnen vorgeht. Jörg W. trägt Halbglatze und grauen Bart, ist schlank und wirkt sportlich. Sein Ziehsohn, der mit ihm lange unter einem Dach gelebt hatte, ist ebenfalls von sportlicher Statur, trägt das Haar kurz geschoren. Beide antworten mit fester Stimme, als sie Auskunft zu ihren Personalien geben sollen. Aufmerksam folgen sie den Worten des Richters und dem Vortrag der Staatsanwalts.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft war Jörg W., der in den 90er Jahren als Fremdenlegionär im Einsatz war, Initiator der Gewalttaten. Er soll den Plan gefasst haben, die beiden ersten Opfer zu töten und dann ihre Konten zu plündern und sich die monatlichen Einkünfte einzustreichen. Im dritten Fall drohte dem Verdacht zufolge ein als Betrug angelegtes Investitionsgeschäft aufzufliegen: Der 30-Jährige hatte W. 5000 Euro für die Gründung einer Baufirma gegeben, die es aber nie geben sollte. Als der Geprellte eine Rückzahlung verlangte, soll W. beschlossen haben, ihn zu töten.

„Seine finanzielle Situation war desolat“, sagt York vor Prozessauftakt zum Motiv der Habgier. Er habe dann den Mitangeklagten angestiftet, ihm zu helfen. „Warum er mitgemacht hat, das wissen wir noch nicht genau“, meint York. Nach neusten Erkenntnissen der Ermittler soll Kevin R. bei allen drei Morden nicht nur Helfer gewesen sein, sondern auch aktiv zugeschlagen haben. Unter anderem fanden die Ermittler DNA-Spuren von beiden an den im dritten Fall als Tatwaffe genutzten Maurer-Werkzeugen. Zunächst hatte die Anklage Kevin R. beim letzten Mord lediglich als Beihelfer gesehen.

Nun hofft das Gericht auf seine Aussage: Bei der Polizei hatte er umfangreiche Angaben gemacht, eine direkte Tatbeteiligung aber abgestritten. Sein Anwalt hatte mitgeteilt, dass er im Prozess dagegen zunächst schweigen wolle. Ob es die richtige Entscheidung sei, von diesem Recht Gebrauch zu machen, solle er gut prüfen, appellierte der Vorsitzende Richter Georg Zimmermann zum Ende des ersten Verhandlungstages. Denn immerhin: Der bislang nur in einem Mord geständige Jörg W. habe sich gegenüber einer Psychologin bereits geäußert. Prozessbeobachter gehen davon aus, dass die beiden sich gegenseitig belasten könnten.