Öffentlichkeitsfahndung Mordfall Nicky Verstappen: Wer ist der mutmaßliche Mörder Jos B.?
Maastricht · Der mutmaßliche Mörder von Nicky Verstappen (11) ist bereits 1985 wegen Missbrauchs an Kindern von der Justiz belangt worden. Er wurde im Mordfall Nicky trotzdem nie als Verdächtiger gehandelt.
Der ungeklärte Tod des niederländischen Jungen vor 20 Jahren sorgte in diesem Jahr für den größten DNA-Massentest, den es je in den Niederlanden gegeben hat. Proben von 14.000 Männern wurden mit einer Spur verglichen, die auf der Kleidung des Elfjährigen gefunden wurde. Vergangenen Mittwoch verkündete die Polizei, einen Treffer erzielt zu haben — von einem Mann, der dadurch aufgefallen war, dass er an der Untersuchung nicht teilgenommen hatte. Ermittler stellten seine DNA in einem Chalet in den französischen Vogesen sicher, wo der 55-Jährige im Februar das letzte Mal gesehen wurde. Nur wenige Tage später haben die Ermittler einen wohl entscheidenden Hinweis bekommen. Der Tatverdächtige Jos B. konnte festgenommen werden, teilte die Polizei am Sonntag mit.
Jos B. war den Ermittlern bereits bekannt — als Zeuge
B. wurde im August 1998 in der Nähe des Fundorts der Leiche angetroffen. Damals 35 Jahre alt, lebte er mit seiner Mutter in Simpelveld, etwa 15 Kilometer entfernt von der Brunssummerheide, wo Nicky Verstappen ermordet gefunden wurde. Er sei auf dem Heimweg, habe Briefe ausgetragen, heißt es in den Akten der Polizei. Er wurde als Passant eingestuft, nicht verdächtig. Dabei war Jos B. bereits 1985 zu zwei Jahren Bewährung verurteilt worden, weil er einen Zehn- und einen Elfjährigen während einer Tour in Wijnandsrade unsittlich angefasst hatte. Schon ein Jahr vorher soll es einen ähnlichen Vorfall mit einem 12-Jährigen in Wijlre gegeben haben. B. machte eine Therapie, kam unbeschadet durch die Bewährungsauflage. Als er 2001 in einer Wiederaufnahme der Ermittlungen im Fall Nicky verhört wurde, gab er zu, damals in das Sexualdelikt verwickelt gewesen zu sein. Trotzdem wurde er nicht zum Tatverdächtigen.
Wer ist Jos B.?
Der heute 55-Jährige ist 1,80 Meter groß, hat große Ohren und trägt Schuhgröße 41/42: Mit dieser Beschreibung sucht die niederländische Polizei seit vergangenem Mittwoch öffentlich nach dem Mann. Freunde und Bekannte bezeichnen B. als sehr still und zurückgezogen, er soll nicht viele soziale Kontakte gehabt haben.
Der mutmaßliche Mörder ist seit Jahrzehnten Pfadfinder, betreut Kinder in Zeltlagern — bis er im Jahr 2002 die Pfadfinder in Heerlen verlassen musste. Der Grund: Ein Polizeiermittler und Mitglied der Pfadfinder fand heraus, dass B. 2001 in dem Verhör zugegeben hatte, auf minderjährige Jungen zu stehen. Er sprach privat mit B., sagte danach: „Jos B. ist jemand, den man nicht bei den Pfadfindern haben will“, er sei eine Gefahr für Kinder. Doch damit ist für B. nicht Schluss mit den Pfadfindern: Er geht nach Polen und arbeitet dort wieder mit Kindern zusammen. Dort wird derzeit intern untersucht, welche Rolle B. gespielt hat.
B. ist Experte im Bushcrafting
Bushcrafting ist ein Hobby, in dem man seine Überlebensfähigkeiten in der Natur trainiert: Bushcrafter verabschieden sich für einen frei gewählten Zeitraum von Technik und Komfort und suchen in der Wildnis Nahrung, gehen jagen und bauen sich einen Unterschlupf. B., erfahrener Pfadfinder, betreibt dieses Hobby schon seit Jahren, auf Youtube hat er sogar einen Kanal, auf dem er sein Wissen über Pflanzen und bestimmte Touren weitergibt. Er ist Überlebensspezialist, verabschiedet sich immer wieder in die Natur. Im Februar befindet er sich in den Vogesen, plant eine neue Tour: Er habe mehrmals davon gesprochen, eine 140 Kilometer lange Strecke in drei Wochen in Richtung Deutschland laufen zu wollen, berichten Leute, die ihn kennen. Doch seit dem 19. Februar ist B. spurlos verschwunden. Freunde suchen ihn, haben aber keinen Erfolg — genauso wenig wie später die Polizei.
Am 12. Juli wurde ein europäischer Haftbefehl gegen B. h erlassen. Seit dem 22. August hat die Polizei zudem die Öffentlichkeit dazu aufgerufen, die Fahndung nach dem mutmaßlichen Mörder zu unterstützen. Seitdem hat die Polizei bereits über 1000 Hinweise erhalten. Am Sonntag (26.8.) wurde B. in Spanien dann verhaftet.