Tradition und Moderne Myanmars Longyi: Der Wickelrock wird modern
Rangun (dpa) - Für Stilbrüche ist Hillary quasi schon von Berufs wegen zuständig. Die 24-Jährige aus Myanmar, dem ehemaligen Birma, ist Modedesignerin.
Manchmal trägt sie ein Leinenhemd und Jeans dazu. So etwas wird in dem südostasiatischen Land nicht besonders gerne gesehen. Hier prägt immer noch der Longyi, Myanmars traditioneller Wickelrock, das Straßenbild.
Hillary, die eigentlich Su Wai Yee heißt und wie viele junge Leute hier aber einen westlichen Zweitnamen benutzt, hat sich zum Ziel gesetzt, Tradition und Moderne miteinander zu verbinden. In ihrem Shop in Rangun, der früheren Hauptstadt, feilt sie an einem neuen Dreh für den Longyi. Also hat sie dem Beinkleid Taschen für Autoschlüssel und Smartphone verpasst - sehr zum Ärger von konservativeren Leuten.
Myanmar war fast ein halbes Jahrhundert lang eine Militärdiktatur, vom Rest der Welt weitgehend abgeschottet. Vor fünf Jahren begann die Öffnung. Trotz der westlichen Einflüsse ist das 51-Millionen-Einwohner-Land weiter konservativ - auch in Modefragen. Den Longyi tragen Männer und Frauen gleichermaßen.
Auch Myanmars Politiker - männlich wie weiblich - greifen gern auf den Wickelrock zurück. Wenn hoher Besuch kommt oder sie selbst auf Auslandsreisen sind, zeigen sie sich besonders gern darin, oft mit samtenen Flip-Flops dazu.
Die 71-jährige Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi - als „Staatsrätin“ heute die starke Frau des Landes - gilt auch unter jungen Leuten als stilbildend. „Sie ist unsere Fashion-Ikone“, sagt Win Min Than, eine Beauty-Bloggerin.
Hillary sieht das ähnlich. Die Modedesignerin ist nach einem Studium in den USA erst seit drei Jahren wieder in ihrer Heimat zurück. Myanmar hatte sich damals bereits etwas geöffnet. Dennoch hatte sie Probleme, sich wieder einzugliedern. „Ich fühlte mich, als müsste ich mich wieder an einen konservativeren Kleidungsstil anpassen.“
Als Tochter von Eigentümern einer Textilfabrik erkannte sie aber, dass um kleine modische und gleichsam praktische Details aufgepeppte Longyis eine Marktlücke sein könnten. Also startete sie ihr eigenes Mode-Label namens Cici. Ihr Vorzeigemodell ist der Taschen-Longyi. Gleichwohl meint sie: „Wir können die Dinge nicht zu weit treiben.“
Zuviel Haut zu zeigen oder gar einen Minirock zu tragen, ist problematisch in dem vorwiegend buddhistischen Land. Nicht umsonst empfehlen Reiseführer Touristen, Schulter und Knie zu bedecken. „In den Pagoden muss man einfach dezent gekleidet sein“, meint auch Hillary. In einigen Läden weisen Aushänge extra darauf hin, dass zu leicht bekleidete Frauen nicht bedient werden. Bei Hillary hängt ein solches Schild natürlich nicht.
Schon einmal versuchte sich in Myanmar ein Modedesigner daran, die Oberteile für den Longyi etwas gewagter zu gestalten: mit sogenannten Cut-outs am Rücken, die manchmal auch BH-Träger zum Vorschein brachten. In den sozialen Medien löste das Proteste aus.
Sex-Appeal wird in Myanmar eher unterschwellig transportiert, etwa durch eng anliegende Kleidung. Es gibt sogar extra Polster, um das weibliche Hinterteil in die gewünschte Form zu bringen. Der westliche Einfluss ist nicht zu verleugnen, obwohl es Internet-Zugänge erst seit kurzem gibt. Unaufhaltsam wächst das Bewusstsein fürs Äußere. In Rangun schießen Fitnesscenter gerade aus dem Boden.
Dass der Kleidungsstil nicht schon längst stärkere westliche Einflüsse zeigt, dafür hat die Modebloggerin Win Min Than eine einfache Erklärung: „Bei uns gibt es keine internationalen Modeketten wie H&M oder Forever 21. Deshalb nutzen die Menschen das, was sie kennen und was erschwinglich ist.“
Sie meint: Niemals werde westliche Mode den traditionellen Kleidungsstil ganz ersetzen. Zum einen, weil das für die Leute in Myanmar zur kulturellen Identität gehöre. Und zum anderen, weil der Longyi auch seine Vorzüge habe. „Es ist wesentlich bequemer, in diesem feucht-heißen Klima einen Longyi zu tragen und keine Jeans.“
Auch Hillary ist stolz darauf, dass ihr Land das alte Erbe in Sachen Mode nicht aufgibt. „Welches andere Land kann das von sich sagen?“