Feuer gelegt Nach tödlichem Polizeischuss in Nantes: Lage bleibt brenzlig
Nantes (dpa) - Empörung über einen tödlichen Polizeischuss ist in der westfranzösischen Stadt Nantes in gewaltsame Ausschreitungen umgeschlagen. Ein Polizist hatte einen 22 Jahre alten Autofahrer tödlich verletzt, als dieser anscheinend versuchte, sich einer Kontrolle zu entziehen.
Staatsanwalt Pierre Sennès sagte am Mittwochabend, er sei noch nicht in der Lage, eine definitive Antwort darauf zu geben, ob der Beamte am Abend zuvor rechtmäßig das Feuer eröffnet hatte.
Offiziellen Angaben zufolge wurden in den Stunden danach rund 30 Autos und mehrere Geschäfte angezündet. Mehrere Viertel der Stadt in der Nähe der Atlantikküste waren von den Krawallen betroffen. Manche Jugendliche hätten gesagt, dass sie sich „rächen“ wollten, berichtete der Sender France Bleu Loire Océan. Nach Angaben der Regionalzeitung „Ouest-France“ flogen Brandsätze auf Polizisten. Die Sicherheitskräfte setzten demnach Tränengas ein.
Innenminister Gérard Collomb verurteilte „die Gewalttaten und die inakzeptablen Zerstörungen“ und rief zur Ruhe auf. Doch die Lage spannte sich am Mittwochabend erneut an. Es seien zwei Autos und ein Minibus angezündet worden, sagte Präfektin Nicole Klein dem Sender BFMTV. Zahlreiche Bereitschaftspolizisten sollten in der Nacht vor Ort sein, um gegen mögliche neue Ausschreitungen vorzugehen.
Die Ereignisse weckten Erinnerungen an die Banlieue-Unruhen von 2005. Damals hatten sich bei Paris zwei Jugendliche auf der Flucht vor der Polizei in einem Transformatorenhäuschen in Lebensgefahr gebracht und einen tödlichen Stromschlag erlitten - der Unfall war Auslöser für wochenlange Jugendrevolten - auch in anderen Vorstädten.
Nach Angaben des Staatsanwalts hatte der junge Mann bei der Kontrolle eine falsche Identität angegeben. Die Polizisten hätten ihn deshalb aufgefordert, mit ihnen zum Kommissariat zu kommen - der Fahrer habe daraufin anscheinend versucht, sich der Kontrolle zu entziehen, indem er sein Auto schnell zurückgesetzt habe.
Der örtliche Polizeifunktionär Jean-Christophe Bertrand sagte, dabei sei ein Polizist am Knie getroffen worden, woraufhin ein Kollege das Feuer eröffnet habe. Mehrere französische Medien zitierten allerdings angebliche Augenzeugen, die dieser Version der Polizei widersprachen.
Gegen den aus der Pariser Region stammenden jungen Mann lag ein Haftbefehl vor - dies erkläre möglicherweise seine „Fluchtlogik“, sagte Staatsanwalt Sennès. Er wurde wegen Verdachts auf bandenmäßigen Diebstahl, Hehlerei und krimineller Vereinigung gesucht.
Sennès sagte, dass die Stimmung im Breil-Viertel, wo der tödliche Schuss fiel, schon zuvor angespannt gewesen sei. Vergangene Woche hätten dort mehrere Personen Schüsse auf die Fassade eines Gebäudes abgefeuert, dabei sei ein Mädchen verletzt worden. Deshalb sei die Polizei in den vergangenen Tagen verstärkt präsent gewesen.
Die Bürgermeisterin von Nantes, Johanna Rolland, rief die Bewohner der Stadt am Fluss Loire zur Ruhe auf. Die Justiz müsse in „vollkommener Unabhängigkeit“ aufklären, was passiert sei. Die Generalinspektion der Polizei ermittelt. Staatsaanwalt Sennès stellte in Aussicht, möglicherweise am Donnerstag nähere Informationen geben zu können.