Nackttanz im Pfarrgarten: Frau terrorisiert Geistlichen
Eine ältere Dame stellt einem Pastor seit Jahren nach. Jetzt kommt der Fall vor Gericht.
Meschede. Das Pfarrhaus der St. Nikolaus-Gemeinde in Meschede liegt in Sichtweite der Kirche im Ortsteil Freienohl. Auf den ersten Blick wirkt das Wohnhaus aus den 1950er Jahren mit gepflegtem Vorgarten und großer Wiese einladend und friedlich. Doch Ruhe und Frieden hat Pastor Michael Hammerschmidt (59) schon lange nicht mehr: Seit 13 Jahren wird der katholische Geistliche von einer mittlerweile 71-jährigen Frau mit Liebesbekundungen überhäuft. Fast täglich dekoriert sie am frühen Morgen den Weg durch den Vorgarten mit Blumen und Herzen, Luftballons und Liebesbriefen. Alles fing an, als der Pfarrer die Frau in der Trauer beim Tod ihres Vaters begleitete.
Der Pfarrer berichtet von Anrufen und SMS von morgens bis kurz vor Mitternacht. „Ich komme nicht mehr zur Ruhe.“ Schon morgens ist sein erster Gedanke: „War sie da?“ Anfänglich seien die Liebesbekundungen noch „normal“ gewesen. „Nach einer Therapie war sie dann völlig sexualisiert“, sagt Hammerschmidt. „Seitdem finde ich immer wieder Phallus-Symbole.“ Einmal habe sie während der Messe hinten im Kircheneingang gestanden — mit geöffneter Bluse —, während der Geistliche vorn am Altar stand. Und auch die Briefe, E-Mails und Anrufe der Frau seien „einfach nur obszön und widerlich“.
Die Polizei ist machtlos. „Wir dokumentieren das“, sagt der Mescheder Polizeisprecher Ludger Rath. Doch Beweisstücke will die Polizei schon lange nicht mehr haben. „Wenn ich die Briefträgerin sehe, und es ist Post von ,Ihr’ dabei, sage ich, sie soll das mitnehmen und entsorgen. Ich werfe die Briefe schon lange ungelesen weg“, sagt Hammerschmidt.
Beweise braucht auch die Justiz nicht mehr. „Sie begeht seit Jahren ein Stalking. Das ist nicht strittig“, sagt der Anwalt der 71-Jährigen, Michael Babilon. Er vertritt die Frau, wenn sie sich am Donnerstag vor dem Amtsgericht in Meschede wegen „Nachstellung“ verantworten muss. Im Prozess gehe es vor allem darum, ob seine Mandantin schuldfähig ist. „Darüber sind sich auch die Gutachter nicht einig“, sagt der Rechtsanwalt.
Bis vor einigen Jahren tanzte die Frau morgens und abends vor dem Fenster des Pfarrhauses, berichtet der Pastor: „Sie hat sich sehr obszön verhalten und war zum Teil splitterfasernackt.“ Dem Prozess sieht er gelassen entgegen. „Ich erwarte nichts. Dann kann ich auch nicht enttäuscht werden.“ Anwalt Babilon hingegen ist gespannt: „Wenn meine Mandantin schuldfähig ist, müsste sie irgendwann ins Gefängnis. Denn sie hat es ja immer wieder getan, hat also eine schlechte Sozialprognose.“ Andererseits gibt er zu bedenken, dass die 71-Jährige bisher nie körperliche Gewalt angewandt hat, und fragt: „Muss man jemanden wegsperren, nur weil er Liebesbriefchen schreibt?“
Auch bei der Kirchenführung in Paderborn ist der Fall seit langem bekannt. „Ich ziehe den Hut, wie Pastor Hammerschmidt damit umgeht“, sagt Bistumssprecher Aegidius Engel. Einen Versetzungsantrag des Pfarrers hätte der Bischof sicher wohlwollend bearbeitet. „Aber er fühlt sich dort, abgesehen von dieser Geschichte, wohl.“
Doch ganz spurlos scheint der jahrelange Spuk nicht an dem Geistlichen vorbeigegangen zu sein: „Ich bin eigentlich ein fröhlicher Mann, aber zwischendurch habe ich doch schon mal depressive Phasen“, sagt der 59-Jährige. Für Anwalt Babilon ist der Fall juristisch wegen der Schuldfähigkeitsfrage zwar spannend, menschlich aber tragisch: „Egal, wie das ausgeht, es gibt lebenslänglich. Entweder für den Pastor, der das weiter erdulden muss, oder für meine Mandantin.“