Noël Martin: Zum Sterben nach Deutschland

Opfer: Noël Martin ist seit einem Überfall von Rechtsextremen in Brandenburg schwerstbehindert. Nun sucht er Sterbehilfe.

Berlin. Der Brite Noël Martin, der seit einem Angriff von Neonazis in Brandenburg querschnittsgelähmt ist, will in Deutschland sterben und sich dabei offenbar von der umstrittenen Sterbehilfe-Organisation Dignitate unterstützen lassen. "Zum Sterben komme ich nach Berlin", sagte der 48-Jährige gestern der "Bild"-Zeitung. "Meine letzte Reise hier anzutreten, schließt einen offenen Kreis."

Am 16. Juni 1996 wurden Noël Martin und zwei Kollegen im brandenburgischen Mahlow von Rechtsradikalen verfolgt. Die Täter, damals 17 und 24 Jahre alt, schleuderten einen Stein auf den Jaguar, Martin verlor die Kontrolle über den Wagen, dieser prallte frontal gegen einen Baum.

Seit dem Anschlag ist der Vorarbeiter und Bauunternehmer vom Hals abwärts gelähmt. In seinem Haus in Birmingham wird er abwechselnd von neun Pflegern betreut. Drei bis vier Stunden dauert es morgens, bis die Prozedur von Waschen und Ankleiden überstanden ist. Er hat Spasmen, Hitze- und Kälteschübe. Eigentlich sollte er liegen, doch Noël Martin will das Leben in seinem Haus mitbekommen. So sitzt er trotz der fortgeschrittenen Druckgeschwüre lieber in seinem High-Tech-Rollstuhl.

Aber die körperliche Unbeweglichkeit hat dem gebürtigen Jamaikaner lange nicht den Schneid abkaufen können. 2001, fünf Jahre nach dem Anschlag, ist er noch einmal nach Mahlow zurückgekehrt. Unter großem Medieninteresse rollte er wie das leibhaftige schlechte Gewissen in der Gemeinde ein.

Martin hat auch die Täter, die nach fünf und acht Jahren Jugendstrafe längst wieder frei sind, immer wieder aufgefordert, sich mit ihm zu treffen. Geantwortet haben sie nie.

Im Jahr 2000 ist seine Frau Jacqueline an Krebs gestorben, ihm wurde sein Zustand immer mehr zur Last: "Ich nehme nicht am Leben teil, ich existiere nur noch." Bereits mehrfach hat er seinen Freitod angekündigt, zuletzt für seinen 48. Geburtstag am 23.Juli 2007. Doch er brauchte doch noch Zeit, um bürokratische Dinge zu erledigen, etwa dass sein Haus nicht an den Staat fällt, sondern Hilfs-Projekten zugute kommt.

Bei seinen Todesplänen will ihn nun laut "Bild" der Arzt Uwe Christian Arnold aus dem Dignitate-Vorstand unterstützen. Er sagt: "Wir wollen einen Präzedenzfall schaffen." Dignitate, ein Ableger der Schweizer Sterbehilfe-Organisation Dignitas, hat auch den Gang bis zum Bundesgerichtshof angekündigt, falls ein Sterbehelfer angeklagt werden sollte.

Wann Noël Martin zum Sterben nach Deutschland kommen will, ist unklar. Vor seinem Tod will er noch eine Hilfsorganisation für bedürftige Kinder gründen: "Es hat vier Jahre gedauert, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Jetzt sind meine Anwälte damit fast fertig. Dann ist mein Vermächtnis gesichert."

Anschlag Noël Martin, geboren am 23. Juli 1959 in Jamaika, wurde vor elf Jahren Opfer eines rassistischen Anschlags in Brandenburg.

Aktivitäten Er hat mehrere Hilfsprojekte sowie einen Austausch von Jugendlichen zwischen Brandenburg und Birmingham ins Leben gerufen.