Norman Fosters Wartehäuschen in der Kritik
Köln (dpa) - Ralf ist schätzungsweise Anfang 40 und wirkt ziemlich drahtig. Nein, noch bereite ihm das Warten auf die nächste Straßenbahn im Stehen keine Probleme. „Aber wenn ich 75 bin, dann möchte ich mich setzen können.“
Zum Setzen gibt's aber neuerdings nichts mehr an der Haltestelle Aachener Straße/Gürtel in Köln. Das neue Wartehäuschen in minimalistischem Design hat keine Bank mehr, und das empfinden manche Kunden als Ärgernis. Vor allem wenn sie hören, dass die Unterstände von Stararchitekt Sir Norman Foster entworfen worden sind.
Nun mag Köln in den Augen seiner Einwohner zwar der Nabel der Welt sein, aber allein für die Domstadt ist Lord Foster dann doch nicht tätig geworden. Die schicken Wartehäuschen stehen schon an vielen Orten der Welt. Köln setzt insofern auf Bewährtes.
Dass die Sitzplätze mancherorts verschwunden sind, hat nach Darstellung der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) rein gar nichts mit dem geadelten Erschaffer der Reichstagskuppel zu tun. Sondern vielmehr mit der Betriebsordnung Straßenbahn, U-Bahn und vergleichbare Verkehrssysteme, Kurzfassung BOStrab.
In dieser BOStrab hieß es früher, dass die Durchgangsbreite auf Bahnsteigen 1,50 Meter betragen solle. „Das ist irgendwann mal geändert worden in „muss 1,50 Meter betragen““, erläutert KVB-Sprecher Stephan Anemüller. „Und es ist ja eigentlich auch richtig, dass das Thema Barrierefreiheit ein wichtiges ist.“
Was Rollstuhlfahrer Peter Erff (49) bestätigen kann. „Genug Platz ist natürlich schön“, sagt er. Zusammen mit seiner blinden Frau Heike (45) wartet er an diesem Donnerstagmittag ebenfalls auf dem Bahnsteig Aachener Straße/Gürtel. „Wenn es zu schmal ist, hat man Angst, dass man auf die Gleise fällt“, sagt Heike Erff.
Die Wartehäuschen werden von der Firma JCDecaux bezahlt, aufgestellt und unterhalten, die dafür dort Werbung machen darf. Angeblich hat eine freie Sicht auf die Werbeflächen Vorrang vor dem Komfort der Wartenden. „Absoluter Blödsinn!“, sagt dazu die Sprecherin von JCDecaux, Frauke Bank. „Da würden sämtliche städtischen Partner aufschreien! Das wäre geschäftsschädigend.“
In Gütersloh hat es dieses Jahr auch eine Diskussion um Wartehäuschen gegeben. Der Vertrag mit dem bisherigen Partner lief aus, und bis der neue seine eigenen Häuschen aufstellte, brauchte man eine Übergangslösung für den Winter. Was tat die Stadt? Sie baute Wartehäuschen aus Holz. Völlig uncool, aber dafür massiv, regenfest und mit Sitzbank. „Die Häuschen erfreuen sich - was keiner erwartet hast - großer Beliebtheit“, sagt Stadtsprecherin Susanne Zimmermann. „Und die sind auch überhaupt nicht beschmiert worden.“
Wenn die Holzhäuschen nun abgebaut werden, finden sie alle einen neuen Eigentümer - Sportvereine wollen sie zum Beispiel als Trainerunterstand nutzen. „Die neuen haben auch Sitzplätze“, betont Zimmermann vorsorglich. „Die sind aber auch nicht von Norman Foster.“
Es gibt in Köln auch noch eine Diskussion darüber, wie regenfest die neuen Wartehäuschen sind. Aber dieser Donnerstag ist nicht der geeignete Tag dafür, um das zu vertiefen: Die Sonne knallt heftig. Iris (55) würde sich jetzt schon gern hinsetzen auf dem Bahnsteig Aachener Straße/Gürtel. „Man kann die Bänke doch zum Einklappen machen“, schlägt sie vor. „Wenn sie grad keiner braucht: schwupp!“