Nur 835 Einbrecher verurteilt
NRW-Justizminister legt Statistik der Strafverfolgung vor. Rückgang bei Gewaltdelikten.
Düsseldorf. Auf den ersten Blick scheinen die Worte von NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) so gar nicht zu einer der Zahlen zu passen, die er gestern in Düsseldorf als NRW-Justizbilanz der Jahre 2010 bis 2014 präsentierte. Da lobt er die Justiz für ihre erfolgreiche Arbeit. Und dann liest man in der Statistik die Zahl von nur 835 Verurteilungen wegen Wohnungseinbruchs im Jahr 2014. Und das soll sogar positiv sein, weil es im Jahr 2010 noch weniger, nämlich nur 755 Verurteilungen gab. Angesichts der kürzlich veröffentlichten polizeilichen Kriminalstatistik, nach der allein im Jahr 2015 insgesamt gut 62 000 Wohnungseinbrüche im Land zu verzeichnen waren, wirkt die Zahl der Verurteilungen dann doch eher lächerlich.
Doch Kutschaty weist auf den großen Unterschied hin, der zwischen polizeilicher Kriminalstatistik und Strafverfolgungsstatistik besteht. In die polizeiliche Kriminalstatistik geht jeder einzelne Fall ein, in dem die Polizei ermittelt. Und damit eben auch all die Fälle, in denen die Täter nicht zu fassen oder die Tat nicht nachzuweisen ist. Hinzu kommt: Hat ein gefasster Täter 20 Wohnungseinbrüche verübt, so sind dies laut der Kriminalstatistik eben diese 20 Fälle. In der Strafverfolgungsstatistik, die die durch Gerichte abgeschlossenen Verfahren zählt, ist es dann aber nur ein Fall — in dem der Täter wegen seiner fortgesetzten Taten verurteilt wird.
Was Minister Kutschaty positiv stimmt, ist vor allem der in der Strafverfolgungsstatistik zum Ausdruck kommende Rückgang von Gewalt- und Tötungsdelikten. Wurden im Jahr 2010 noch 9037 Täter von NRW-Gerichten wegen Gewaltdelikten verurteilt, waren es 2014 nur noch 6199 — ein Rückgang von 31,4 Prozent. Bei den Tötungsdelikten, die von den Gerichten abgeurteilt wurden, lag die Zahl 2014 bei 196 — und damit um 27,1 Prozent niedriger als im Jahr 2010 (269).
Gestiegen ist allerdings die Zahl der Verurteilungen wegen des Erschleichens von Leistungen, im Volksmund: Schwarzfahren. Hier gab es im Jahr 2010 noch 12 716 Schuldsprüche, 2014 dagegen waren es 40,8 Prozent mehr: 17 912 Schwarzfahrer wurden verurteilt. Der Justizminister führt das auf die häufiger von den Verkehrsbetrieben durchgeführten Kontrollen zurück.
Wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern wurden 2010 von NRW-Gerichten 473 Täter verurteilt, 2014 waren es 410.
Kutschaty sieht die Statistik auch als Beleg dafür, dass die NRW-Justiz keinesfalls zu lasch mit Straftätern umgeht. Das zeige die Tatsache, dass rund 35 Prozent aller Heranwachsenden nach allgemeinem Strafrecht verurteilt werden, während etwa in Bayern, das oft als Vorbild für hartes Durchgreifen hingestellt wird, dieser Anteil nur bei 25,5 Prozent liegt. Hintergrund: Bei Tätern im Alter zwischen 18 und 21 Jahren (Heranwachsende) entscheidet das Gericht je nach Reifegrad, ob es im Falle einer Verurteilung das mildere Jugendstrafrecht oder das Erwachsenenstrafrecht anwendet.
Insgesamt wurden von NRW-Gerichten im Jahr 2014 gut 161 000 Menschen verurteilt. Unter den von NRW-Gerichten im Jahr 2014 verurteilten 161 334 Tätern waren 8178 Jugendliche.
Trotz der hoch anmutenden Zahlen kommen freilich die meisten Menschen nie mit der Strafjustiz in Berührung. Die Erfahrung mit einem zivilrechtlichen Prozess oder auch einem verwaltungsgerichtlichen Streit machen aber durchaus viele Menschen — vom Nachbarschaftsstreit über eine Auseinandersetzung mit dem Mieter oder Vermieter bis zu einer Klage gegen einen behördlichen Bescheid. Und hier zitierte Justizminister Kutschaty gestern das erstaunliche Ergebnis einer Befragung, die an zwei Landgerichten und einem Verwaltungsgericht unter den streitenden Parteien durchgeführt wurde — nach ihrem Prozess: 68 Prozent der Befragten zeigten sich danach mit dem gerichtlichen Abschluss ihres Verfahrens zufrieden bis sehr zufrieden. Eigentlich sollte man denken, dass die Zahl nicht über 50 Prozent liegen kann, weil Prozessverlierer eher murren oder fluchen dürften. Das ist aber nicht immer so. Kutschaty erklärt das damit, dass es den Richtern offenbar häufig gelingt, auch den Unterlegenen gut zu erklären, warum sie den Prozess verloren haben.