Opferverein fordert Ende für Odenwaldschule
Heppenheim/Darmstadt (dpa) - Angesichts des neuerlichen Missbrauchsverdachts an der Odenwaldschule sehen sich Opfervertreter in ihrer Forderung nach einem Ende der Einrichtung in ihrer jetzigen Form bestätigt.
„Die Lehrer haben viel zu viel Platz und Zeit, sich ihren Schutzbefohlenen zu nähern“, sagte der Vorsitzende des Opfervereins „Glasbrechen“, Adrian Koerfer, der dpa. Das Internat könne die unübersichtlichen Strukturen mit Familien-Wohngruppen höchstens mit einem Neubau ändern, doch dazu habe sie kein Geld.
Nun könnten die befürchteten Missbrauchsfälle Wahrheit geworden sein. Das zeige, dass die bisherigen Reformen an der Schule „reine Propaganda“ gewesen seien. Koerfer sagte, die Wohnstrukturen und die abgeschiedene Lage des Internats würden Lehrer mit pädophilen Neigungen geradezu anlocken. „Dieses Modell Odenwaldschule muss langsam auslaufen“, forderte Koerfer.
Unterdessen gibt es einen neuen Missbrauchsverdacht gegen einen Lehrer. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt ermittelt wegen möglicher sexueller Übergriffe gegen einen kürzlich fristlos entlassenen Pädagogen, wie ein Sprecher sagte. Um welche Handlungen es genau geht, will die Anklagebehörde aus Gründen des Opferschutzes nicht bekanntgeben.
Betroffen seien aber möglicherweise mehrere Schüler. Einer der Vorwürfe gegen den Lehrer dreht sich demnach um ein Zeltlager, bei dem der Lehrer gemeinsam mit einer zweiten Lehrkraft und rund zehn Schülern in einem Zelt übernachtet haben soll.
„Uns wurden eine Reihe von Vorfällen mitgeteilt, die es rechtfertigen, dass wir Ermittlungen aufnehmen“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Noah Krüger. Die Schilderungen stammten von Schülern, die nicht selbst betroffen seien, aber Beobachtungen gemacht hätten. „Wir müssen jetzt prüfen, was geschehen ist, und ob es strafrechtlich relevant ist.“
Der entlassene Lehrer hatte zugegeben, vor seiner Zeit an der Odenwaldschule Kinderpornos heruntergeladen zu haben. Dass es einen weitergehenden Verdacht gegen den Lehrer gibt, hatte die Schule am Dienstag öffentlich gemacht. Die Schulleitung hatte zuvor Schüler in Vier-Augen-Gesprächen nochmals befragt, die schon zuvor von einem „komischen“ Verhalten des Pädagogen berichtet hatten.
Eine Schließung der Schule steht laut dem zuständigen Landrat trotz der neuen Vorwürfe nicht zur Debatte. „Die gelbe Karte ist deutlich gezeigt worden, aber wir befinden uns auch in einem Verwaltungsverfahren, da darf man nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen“, sagte der stellvertretende Landrat des Kreises Bergstraße, Matthias Schimpf, dem Sender hr-iNFO. Jetzt müsse erst einmal Ruhe einkehren. In der Odenwaldschule würden Kinder auch sehr gut betreut.
Die Schule hatte sich am Dienstag bereiterklärt, einen Katalog mit zusätzlichen Auflagen zu erfüllen. Unter anderem muss die Leitung „ab sofort“ monatlich schriftlich und ausführlich über alle außergewöhnlichen Vorfälle die Aufsichtsbehörden informieren, ihr Präventionskonzept überarbeiten und ihr Betreuungskonzept überdenken.
Erst vor wenigen Jahren hatte die Odenwaldschule die Schlagzeilen mit einem Missbrauch-Skandal beherrscht. Seit den 1960er Jahren waren dort mindestens 132 Schüler von Lehrern sexuell missbraucht worden, die Übergriffe kamen aber erst Jahrzehnte später an die Öffentlichkeit. Die Schule hatte daraufhin Reformen versprochen, um für die Schüler Sicherheiten gegen Missbrauch einzubauen.