Ortstermin: Richter sieht sich Piratenflagge an
Chemnitz (dpa) - Im Prozess um die möglicherweise abschreckende Wirkung einer Piratenflagge im Fenster einer Wohnung hat das Landgericht Chemnitz den Tatort in Augenschein genommen.
Für eine knappe halbe Stunde durfte eine 45 Jahre alte Mieterin am Donnerstagnachmittag die schwarze Gardine mit weißem Totenkopf wieder ins Kinderzimmer hängen. Richter Andreas Frei gab zu Protokoll, die Flagge wirke „durchaus dominant“. Anders als auf den Fotos, die ihm bislang vorlagen, sei jedoch deutlich zu sehen, dass es sich um eine Kinderfahne handle. Viele Medien waren bei dem Ortstermin dabei.
Beide Streitparteien machen sich nun weiter Hoffnung auf eine Entscheidung in ihrem Sinne. In dem Prozess hatte der Vermieter die Mieterin auf Schadenersatz verklagt, weil nach seinen Angaben zwei Mietinteressenten wegen der Piratenflagge abgesprungen seien. Den Schaden bezifferte der Anwalt des Vermieters am Donnerstag auf etwa 700 Euro. In der ersten Instanz hatte ihm das Chemnitzer Amtsgericht Ende 2010 Recht gegeben. Seitdem darf die Flagge nicht mehr hängen.
Daraufhin ging die Mieterin in Berufung. Sie ist nur dann bereit, dauerhaft auf die Piratenflagge im Zimmer ihres Sohnes zu verzichten, wenn sie keine Gerichtskosten tragen müsse.
Der Prozess wird am 21. Oktober fortgesetzt. Dann will der Richter eine Entscheidung bekanntgeben - ob er schon ein Urteil oder lediglich Hinweise oder einen Beweisbeschluss verkünden wird, ist nach Angaben eines Gerichtssprechers noch offen.