Urteil aus Straßburg stärkt Rechte leiblicher Väter
Berlin/Straßburg (dpa) - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Rechte lediger Väter weiter gestärkt. Deutsche Gerichte dürfen Männern nicht einfach die Klärung der Vaterschaft und den Umgang mit ihren mutmaßlichen Kindern verweigern, wie die Straßburger Richter urteilten.
Dabei spiele es keine Rolle, dass der Nachwuchs einen rechtlichen Vater habe - also die Mutter mit einem anderen Mann eine Familie gegründet habe. Die Straßburger Richter gaben am Donnerstag einem 53-Jährigen Recht, der vergeblich versucht hatte, einen Vaterschaftstest und ein Umgangsrecht für ein Kind durchzusetzen, das er für sein eigenes hält. Das Gericht forderte, es müssten immer die genauen Umstände zum Wohl des Kindes geprüft werden.
Rechtlicher Vater des heute siebenjährigen Jungen ist der Ehemann der Mutter. Das deutsche Recht räumt dem Schutz der Familie und den sozialen Beziehungen absoluten Vorrang ein, auch wenn ein Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt. Wenn - wie in dem nun entschiedenen Fall - das Kind mit seiner Mutter und deren Ehemann lebt, ist der potenzielle leibliche Vater bislang völlig rechtlos. Er kann nicht einmal ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren einleiten.
Mit dem - noch nicht rechtskräftigen - Urteil folgt der EGMR einer Entscheidung vom Dezember 2010. Schon damals hatten die Straßburger Richter in einem anderen Fall geurteilt, einem biologischen Vater dürfe der Umgang mit seinen Kindern, die er nie gesehen hatte, nicht einfach verwehrt werden.
Das Bundesjustizministerium prüft, ob nun deutsche Gesetze geändert werden müssen. Das jüngste Urteil werde in die bereits laufenden Überlegungen einfließen, sagte ein Sprecher. Er verwies darauf, dass beim EGMR noch mehrere Verfahren zum Verhältnis zwischen rechtlichen und biologischen Vätern anhängig seien. Bereits 2009 hatte Straßburg die Rechte von unverheirateten Vätern auch beim Sorgerecht gestärkt - dem war dann auch das Bundesverfassungsgericht gefolgt. Die schwarz-gelbe Bundesregierung arbeitet derzeit an einer Reform. Über die Inhalte sind Union und FDP aber noch uneins.
Der Verein Väteraufbruch für Kinder sieht nun den Gesetzgeber in der Pflicht. „Wir müssen dafür sorgen, dass leibliche Väter schneller soziale Väter werden können für ihre Kinder“, sagte der Vorsitzende Rainer Sonnenberger am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Es dauere viel zu lange, wenn ein leiblicher Vater sich seine Rechte vor Gericht erkämpfen müsse. Beim Umgangsrecht, dem Sorgerecht und der Frage der Vaterschaftsfeststellung gebe es immer dasselbe Problem: Der biologische Vater sei im Verhältnis zum rechtlichen Vater in einer deutlich schwächeren rechtlichen Position.
Bislang kann ein Mann seine Vaterschaft nur dann gerichtlich klären lassen, wenn er auch die juristische Verantwortung für das Kind übernehmen will - aber auch nur, wenn das Kind nicht mit Mutter und rechtlichem Vater zusammenlebt. In dem nun entschiedenen Fall will der Kläger Klarheit schaffen und Kontakt zu seinem Kind haben, falls dieses von ihm ist.
Die Straßburger Richter kritisierten, dass die deutschen Gerichte nicht einmal eine Prüfung zuließen. Das sei ein Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist. Deutschland muss dem Kläger deshalb ein Schmerzensgeld von 5000 Euro zahlen.
Die verheiratete Mutter hatte eine Beziehung zu dem Kläger unterhalten, trennte sich jedoch während ihrer Schwangerschaft von ihm und kehrte zu ihrem Ehemann zurück. Der Kläger hat sein mutmaßliches Kind nie gesehen, hatte aber schon vor der Geburt seine Vaterschaft anerkannt. Das Ehepaar hatte im Interesse der Familie einen Vaterschaftstest abgelehnt, das Bundesverfassungsgericht wies den Antrag des Beschwerdeführers ohne Begründung zurück.