Oscar Wilde light: So kleidet sich der Dandy von heute

Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Zylinder, Weste mit Paisley-Muster, Frack, Fliege, samtene Kniehose, Lackschuhe und Gehstock - so zeigt sich ein Dandy, wie er im Buche steht. Nichts überlässt der Schöngeist bei seinem Outfit dem Zufall, jedes Kleidungsstück ist das Resultat höchster Schneiderkunst.

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„Der Dandy von einst hat sich ausschließlich mit Kleidung beschäftigt. Sein gesamtes Leben drehte sich um sein Aussehen“, sagt André Bangert von der Fachzeitschrift „Textilwirtschaft“. Beau Brummell, der den Dandy-Look in der Mitte des 18. Jahrhunderts in England etablierte, soll fünf Stunden benötigt haben, bis er fertig gekleidet war. Seine Stiefel polierte er angeblich mit Champagner. „Das Dandytum entstand als Protest gegen die Beschleunigung in der Arbeitswelt“, sagt Robert Herzog, Dozent an der Modeschule Stuttgart. Aktuell erlebt die Bewegung eine - weniger opulente - Renaissance.

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Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsführer des Deutschen Mode-Instituts, sieht das in einer bewussten modischen Entscheidung begründet: „Wir beobachten ein immer stärkeres Auseinanderdriften zwischen jenen, die zerrissene Jeans oder preiswerte Discount-Kleidung tragen, und jenen, die bei exklusiven Marken kaufen, weil sie Wertigkeit zu schätzen wissen und gerne in Schönheit schwelgen.“ Robert Herzog sieht darin auch eine Sehnsucht nach einer übertriebenen Kultiviertheit: „Es ist eine Abkehr vom Minimalismus, der Wunsch nach Andersartigkeit, nicht rational sein zu müssen in einer rationalen Welt.“

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Betrachtet man Bilder bekannter Dandys - zum Beispiel Oscar Wilde, Giacomo Casanova oder Charles Baudelaire -, so sind es besonders die vielen Details, die ins Auge fallen. „Die Knöpfe glänzen metallisch, die Nähte sind aus farbigem Garn, die Lackschuhe poliert, die Zwirne bei Jacken und Mänteln hochgedreht“, beschreibt Müller-Thomkins. „Der Dandy liebt die Überspitzung, hat eine Obsession fürs Detail, für ihn ist Mode ein Fetisch. Er ist ein Narzisst, ein Schöngeist und Flaneur mit einer Obsession für Äußerlichkeiten, der das Spiel mit Materialien, Farben und Schattierungen liebt.“

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Ebenso sind die verarbeiteten Materialien von höchster Qualität. „Samt, Seide, Kaschmir und edle Wolle“, listet Müller-Thomkins auf. „Äußerst beliebt war auch Seidenbrokat, das zu dicht geschlagener und dadurch fest stehender Baumwolle getragen wurde“, ergänzt Herzog. Stickereien wurden genauso zu Pailletten kombiniert wie ein voluminöses, glänzendes Samtsakko zur matten Gürtelschnalle.

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Schaut man sich aktuelle Bilder der Florenzer Herrenmodemesse Pitti Immagine Uomo an, so lassen sich laut Müller-Thomkins kaum Unterschiede zu den Dandys von früher feststellen. Bangert empfiehlt dennoch, die traditionellen Elemente neu zu interpretieren, statt sie nur zu kopieren: „Ein Oscar Wilde würde 2016 arrogant rüberkommen. Der Mann von heute darf sich durchaus an Elementen des Dandytums bedienen. Aber nicht blasiert aussehen, sondern cool und lässig wirken, smart statt geleckt, als sei sein Outfit selbstverständlich und nicht das Resultat stundenlangen Stylings.“ Der moderne Dandy spielt mit den klassischen Elementen, setzt sie aber reduziert ein.

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Das heißt: „Wer eine Nadelstreifen-Weste trägt oder ein Sakko mit Karomuster, sollte bestenfalls keine klassische Wollhose dazu kombinieren. Wer Krawatte trägt, verzichtet lieber auf das Einstecktuch und umgekehrt“, nennt André Bangert Beispiele. Ein Schalkragen-Sakko sei erlaubt - ein gemusterter Schal, wie ihn die Dandys früher trugen, sei hingegen aus der Mode. „Und auch wenn sich der Oscar Wilde im Grab umdrehen würden: Sneakers zur Buntfaltenhose. Mit einem klassischen Schuh wäre der Look zu alt.“

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Auf eine Taschenuhr sollte heute verzichtet werden, empfiehlt Bangert, ebenso auf Lackschuhe und Hüte. Besser seien Lederschuhe oder hochwertige Loafer. „Zu Hosenträgern sollte nur greifen, wer einen Vollbart hat und Jeans trägt, nicht aber jemand mit Seitenscheitel und Pomade im Haar. Das würde spießig wirken.“

Beim Haarschnitt hat es der moderne Dandy hingegen leichter: „Der Fassonschnitt, also etwas längeres Deckhaar und kürzere Seiten, ist omnipräsent und für jeden Mann die richtige Frisur“, meint Bangert. Darüber würden sich auch die Dandys der ersten Stunde freuen.