Paris zeigt Laufsteg-Power - Dior hält die Balance

Paris (dpa) - Neue Powerfrauen laufen - nach Mailand - nun auch in Paris über die Laufstege. Bei Dior präsentiert Interims-Designer Bill Gaytten präzise geschnittene Entwürfe in klaren Linien, während der Antwerpener Dries van Noten etwas Poesie ins Spiel bringt.

Kein leichter Job für Bill Gaytten: Am Freitag (2. März) musste der Interims-Designer von Dior inmitten der brodelnden Gerüchteküche über die Zukunft des Hauses seine Entwürfe für Herbst/Winter 2012/13 präsentieren. Während bei den laufenden Prêt-à-Porter-Schauen noch darüber spekuliert wurde, ob der Raf Simons nach seinem Ausstieg bei Jil Sander der neue Dior-Chefdesigner für Damenmode wird, balancierte Gaytten seine Entwürfe geschickt aus.

Seit dem Herauswurf von John Galliano bei Dior vor einem Jahr wird seine Hand immer sicherer. Präzise geschnittene Entwürfe in klaren Linien wirkten durch Taillenbetonung, Plissierungen oder kleine Schöße an den Jacken weiblich. Die Silhouette wirkte wunderbar zart und doch nicht zu mädchenhaft mit schmalen kragenlosen Oberteilen und weiten wadenlangen Röcken. Das Ganze in leicht glänzender, teils strukturierter Seide in soften Tönen wie Pfirsich, Altrosé, Messing oder Beige. Kräftiger wirkten dunkles Braun, Schwarz, Pink oder Petrol. Gaytten verarbeitete Leder weich wie Stoff, teils erschien es fließend wie Seide.

„Nonchalant“ wollte die Kollektion der Französin Anne-Valérie Hash sein. Sie suche „das Nicht-Perfekte, das kleine Detail, das störe“, präzisierte sie in ihrer Kollektionsbeschreibung. Hash zeigte eine neue Art von Smoking: sehr lässig mit herabgezogenen Schultern, schrägem Saum und sanft auf Figur drapierten Hosen, mal mit kurzer, mal langer Manteljacke, mal mit zarten Blusen. Sehr schön das Spiel der Kontraste bei Farben und Stoffen mit Seidenmousseline, Satin und Taft in einem hellen Wassergrün zu mattem Blaugrau, Nude zu einem glänzenden Marineton oder Violett zu Grau.

„Was braucht die moderne Frau noch?“ schien sich Balenciaga-Designer Nicolas Ghesquière in seiner Schau am Donnerstag gefragt zu haben. Kleider für die Arbeitswelt - lautet die Antwort. Die Kollektion, gezeigt in einem Wolkenkratzer aus den 1970er-Jahren war, dezidiert in die Zukunft gerichtet. Bequeme und doch superschicke Schuhe, Aktenmappen und skulptural geschnittene graue Wollmäntel paarte er mit halb transparenten knielangen Kleidern, lockeren Hosen und Kostümen mit kastigen Jacken und A-förmig abstehenden Röcken.

Dank der überdimensionalen Schultern, der High-Tech-Materialien, Schlangenprints und starker Farbakzente (elektrisches Blau und Neongelb) wirkte das Ganze an keiner Stelle nüchtern. Die Models aus Ghesquières „Laufsteg-Firma“ mit ihren offenen Haaren und kokett baumelnden Ohrringen schienen durchaus Spaß im Job zu haben.

Ob bei dem in dunkelgrauen Fransen, schwarzem Leder und Federn auftretenden Runway-Amazonen von Gareth Pugh oder den glamourösen Power-Girls bei Balmain in ihren üppig bestickten, übergroßen Kastenjacken und schmalen Hosen: Wie schon in Mailand scheinen auch in Paris viele Designer einem toughen, kraftvollen Frauenbild zu huldigen.

Der Antwerpener Dries van Noten brachte etwas Poesie ins Spiel. Seine schmalen, doch lockeren Seidenkleider, Kimonojacken und gerafften Hosen zierten chinesisch und koreanisch inspirierte Muster in schönen Farben wie Royalblau auf Porzellanweiß, Gold oder einem warm leuchtenden Orangeton. Kombiniert wurde diese weibliche Eleganz zu maskulinen Elementen, etwa Army-Jacken, Blazermänteln und schwarzen Anzugshosen.