Skandal in Aachener Klinikum Pfleger machen beschämende Filme von hilflosen Patienten

Prozessauftakt gegen vier Männer und eine Frau. Die Angeklagten berufen sich auf Gedächtnislücken — und haben alle neue Jobs.

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Aachen. Mitten in der Nacht ging Cem K. Ende August 2014 in Raum 9 der Notaufnahme des Aachener Klinikums, dort lag Angela N. aus Alsdorf, dement, verängstigt und vollkommen desorientiert. K. sah, dass sie sich den Katheder aus dem Leib gerissen hatte, Schläuche lagen neben dem Bett, sie hatte sich eingenässt. Cem K. verließ den Raum und kam kurz darauf mit seinem Handy und dem stellvertretenden Stationsleiter zurück, er begann, Angela N. zu filmen. „Wer sind Sie?“, fragte Angela N. den Krankenpfleger K., der mit dem Handy ganz nah an ihr Gesicht kam. „Wer sind Sie?“, fragte sie noch mal, und Cem K. sagte: „ein Terrorist“.

Von mehreren demütigenden Bildaufnahmen, die zwischen Herbst 2013 und Ende August 2014 in der Notaufnahme des Klinikums entstanden und über den Kurznachrichtendienst Whatsapp geteilt wurden, ist dieses Video vielleicht das erschütterndste. Cem K., 28 Jahre alt, sagte am Dienstag beim Prozessauftakt vor dem Aachener Amtsgericht zwar, es tue ihm leid, allerdings habe er das Video aus Gründen der Anschauung für seine Kollegen erstellt. Dass er sich als „Terrorist“ bezeichnet habe, sei ein Spaß gewesen, so hätten ihn die Kollegen manchmal scherzhaft genannt, wegen seines langen Bartes. Und weil der stellvertretende Stationsleiter keine Einwände gegen seine Filmerei erhoben habe, ging Cem K. davon aus, dass das alles schon in Ordnung gehe. Der leitende Angestellte soll am Freitag als Zeuge gehört werden.

So wie Cem K. trugen auch die weiteren drei angeklagten Männer, Stefan K. (31), Rafal B. (25) und Kristof H. (32), kaum etwas zur Erhellung der merkwürdigen Vorgänge am Klinikum bei. Lediglich Marlene C. (32) hinterließ einen glaubwürdigen Eindruck, sie war die einzige, der man ihre Reue abnahm.

Die Klinikumsleitung hatte durch ein anonymes Schreiben Kenntnis von den Vorgängen bekommen. Darin war von „menschenunwürdigen“ Umständen in der Notaufnahme des Klinikums die Rede, dem Schreiben hatte der Absender eine CD mit Fotos beigefügt, die in der Whatsapp-Gruppe gepostet worden waren. „Was ich hier aufzähle“, heißt es in dem empörten Schreiben, „ist wahrscheinlich nur die Spitze des Eisberges.“ Das Klinikum hatte die Angeklagten damals gefeuert. Sie arbeiten aber nach eigenen Angaben alle wieder als Krankenpfleger in neuen Jobs.

Da sich Rafal B., Kristof H. und Stefan K. auf erstaunlich große Gedächtnislücken beriefen, wird nun wohl nicht mehr aufgeklärt werden können, ob die neun bekanntgewordenen Bildaufnahmen tatsächlich nur die Spitze eines Eisberges sind, oder ob es sich nur um naive Einzeltaten gehandelt hat. Die Angeklagten werden der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen beschuldigt, und vermutlich werden alle verurteilt. Allerdings wird die Strafe gering ausfallen, eine Geldstrafe ist wahrscheinlich.

Viel interessanter als das Strafmaß aber ist die Frage, wie es zu solchen Tabubrüchen kommen konnte. Während die vier angeklagten Männer auch zu dieser Frage kaum etwas zu sagen wussten, erklärte Marlene C., dieses Verhalten sei möglicherweise „ein Teil der Verarbeitung“ des alltäglichen Erlebens in der Notaufnahme. Täglich seien bis zu 50 Patienten eingeliefert worden, es gab viel Elend zu sehen. Diese Theorie taugt nicht als Entschuldigung.