„Gutmensch“ wird in Flüchtlingsdebatte zum „Unwort 2015“

Darmstadt (dpa) - Mitten in der Debatte über Flüchtlinge ist der häufig von Rechtspopulisten verwendete Begriff „Gutmensch“ zum „Unwort des Jahres 2015“ gewählt worden.

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Der Vorwurf diffamiere Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv und dumm, begründete die Sprecherin der „Unwort“-Jury, die Sprachwissenschaftlerin Nina Janich, in Darmstadt. „Als "Gutmenschen" wurden 2015 insbesondere auch diejenigen beschimpft, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren oder die sich gegen Angriffe auf Flüchtlingsheime stellen.“ Der Begriff werde auch von manchen Medien als Pauschalkritik benutzt.

Sprachwissenschaftlern zufolge ist „Gutmensch“ im Unterschied zu „Lügenpresse“, dem „Unwort 2014“, nicht bis in die Zeit des Nationalsozialismus zurückverfolgen. Der Begriff erinnere aber an die „Diskursstrategie“ jener Zeit, sagte Margarete Jäger, Leiterin des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung. Damals sei versucht worden, Gegner sprachlich zu „diffamieren und zu isolieren“.

Neu ist das Wort „Gutmensch“ dennoch nicht - 2011 kam es bei der Wahl des „Unworts“ sogar schon einmal auf Platz zwei. Das Schlagwort sei aber „im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsthema im vergangenen Jahr besonders prominent geworden“, sagte Janich. Der Ausdruck war 64 Mal und damit am dritthäufigsten eingesendet worden. Insgesamt waren 1644 Einsendungen eingegangen, mehr als in den Jahren 2014 (1246) und 2013 (1340).

„Gutmensch“ ist das 25. gewählte „Unwort“, die Aktion gibt es seit 1991. Zuletzt waren „Lügenpresse“ (2014), „Sozialtourismus“ (2013), „Opfer-Abo“ (2012) und „Döner-Morde“ (2011) gewählt worden.

Die diesjährige Entscheidung stieß auch in der Politik auf Zustimmung. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) twitterte: „Richtig! Sollten dankbar sein für Hilfsbereitschaft von so vielen, ohne die wir es nicht schaffen würden.“ Die Grünen verstanden „Gutmensch“ als Kompliment. „Wir finden, das ist keine Beleidigung, sondern ein großes Lob“, teilte die Partei bei Twitter mit.

Gerügt wurde diesmal außerdem der Begriff „Hausaufgaben“. Im Zusammenhang mit Kredithilfen für Griechenland transportiere er eine „unangemessene Arroganz“. Die Jury kritisierte auch den Begriff „Verschwulung“, ein Ausdruck in einem Buchtitel des rechtspopulistischen Autors Akif Pirinçci. Damit würden Homosexuelle diffamiert.

Neben dem „Unwort des Jahres“ gibt es auch das „Wort des Jahres“. Dieser Begriff wird von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden gewählt, unabhängig von der sprachkritischen Jury mit ihrer Sprecherin in Darmstadt. Die GfdS hatte sich für 2015 für den Begriff „Flüchtlinge“ entschieden. Diese Bezeichnung sei im deutschen Wortschatz stark verankert, lautete die Begründung. Das Wort bringe die zentrale gesellschaftliche Diskussion auf den Punkt.

Für 2015 wurden unter den „Unwort“-Einsendungen 669 verschiedene Wörter eingeschickt, von denen etwa 80 auch den Kriterien der Jury entsprachen. Die zehn häufigsten Einsendungen, die allerdings nicht alle den Kriterien entsprachen, waren „Lärmpause“ (165), „Willkommenskultur“ (113), „Gutmensch“ (64), „besorgte Bürger“ (58), „Grexit“(47), „Wir schaffen das!“ (46), „Flüchtlingskrise“ (42), „Wirtschaftsflüchtling“ (33), „Asylgegner/-kritiker/Asylkritik“ (27) und „Griechenlandrettung/Griechenlandhilfe“ (27).