Salzburger Festspiele Philipp Blom plädiert für kritisches Denken

Salzburg (dpa) - Der Historiker und Schriftsteller Philipp Blom sieht das selbstständige, kritische Denken auf dem Rückzug. „Es hat in westlichen Ländern seit dem Ende des Totalitarismus keinen so weitreichenden und so mächtigen Angriff gegen die Aufklärung gegeben wie heute“, sagte Blom in seiner Festrede bei der offiziellen Eröffnung der Salzburger Festspiele am Freitag.

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Aufklärung sei der Versuch, das kritische Denken höher zu achten als Meinungen, Vorurteile, Gefühle oder Dogmen. „Dieses Prinzip ist in die Defensive geraten“, warnte Blom. In dieses Umfeld passe ein US-Präsident, der sich täglich beim Lügen überbiete. Als Reaktion auf diesen Niedergang empfahl Blom ein Denken mit Leidenschaft und Risiko.

Die Gesellschaft mache in ihrer geistigen Bequemlichkeit viel zu wenig aus den aktuellen Freiheiten. „Was ist die angemessene Reaktion auf Bürgerinnen und Bürger, denen offensichtlich ihre Mündigkeit lästig, die Freiheit zu anstrengend und die Gleichheit suspekt ist und die eine gefühlte Wahrheit einer durchdachten vorziehen?“, fragte der 48-jährige Autor. Die Zukunft werde nicht mehr als Verheißung, sondern als Bedrohung erlebt. „Wir werden nicht noch reicher werden, noch sicherer und noch privilegierter.“ Viele hofften, die Zukunft überhaupt zu vermeiden und in einer nie endenden Gegenwart zu leben, kritisierte Blom.

„Auch die universellen Menschenrechte sind längst zu einer
rhetorischen Beschwichtigung zusammengeschnurrt“, so Blom mit
Verweis auf den Umgang mit Migranten und Flüchtlingen. Das
universelle Denken und die universellen Menschenrechte seien abgelöst worden vom Rückzug auf das Eigene, auf die Nation, die Grenze. „Freiheit, Gleichheit und Solidarität sind offensichtlich nur dann attraktiv oder durchsetzbar, wenn sie von hohen Mauern und
Stacheldraht geschützt werden.“ So werde der Begriff der
Aufklärung „zur Waffe im Kampf zur Erhaltung der Privilegien von Reichen und Mächtigen“.

Aus Sicht von Blom ist eine neue Aufklärung nötig, in der auch die Leidenschaft eine angemessene Rolle spielen solle. Es bedürfe wieder der Lust am riskanten Denken: „Wer bereit ist, die Dynamik des aufgeklärten Denkens gegen die Dogmen der Gegenwart zu kehren, wer bereit ist, riskant zu denken, kann Teil einer Zukunft werden, in der es sich zu leben lohnt.“

Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen betonte bei der Eröffnung der Festspiele erneut die Bedeutung der EU als Friedensprojekt. Die Zeiten nationaler Lösungen seien vorbei, so das Staatsoberhaupt. Die Festspiele unter dem Motto „Passion, Ekstase, Leidenschaft“ dauern bis zum 30. August. Am Freitagabend stand mit Mozarts „Zauberflöte“ in der Neuinszenierung der jungen US-Regisseurin Lydia Steier die erste Oper auf dem Programm der Festspiele. Zum Opernbesuch wurden auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz und die britische Premierministerin Theresa May erwartet.