Polit-Moderatorin auf Abruf
Anne Will kehrt aus der Sommerpause zurück und soll ihrem Nachfolger Günther Jauch den Platz warm halten.
Berlin. Als Gewinnerin ging sie in die Ferien, als erste Verliererin der neuen Fernsehsaison kehrt sie auf den Bildschirm zurück: Bei der letzten Ausgabe vor der Sommerpause Anfang Juni saß Anne Will als Moderatorin ihres ARD-Polittalks noch fest im Sattel und konnte sich über hervorragende Quoten freuen.
Doch wenn die 44-Jährige nun die erste Ausgabe von "Anne Will" nach der zweimonatigen Pause präsentiert, ist sie eine Moderatorin auf Abruf. Publikumsliebling Günther Jauch wird ab Herbst 2011 neuer ARD-Polittalker und übernimmt ihren Sendeplatz, den wohl prestigeträchtigsten, den das deutsche Fernsehen zu vergeben hat. So lange soll Will ihrem Rivalen den Sonntagabend warm halten.
Anne Will selbst hat sich zwar noch nicht öffentlich zu der Angelegenheit geäußert, doch neben dem Verlust des Sendeplatzes dürfte sie wohl auch das Prozedere als Tiefschlag empfunden haben: Angeblich wurde sie erst wenige Stunden vor der öffentlichen Bekanntgabe des Jauch-Coups eingeweiht. Wenige Tage zuvor hatte Programmdirektor Volker Herres noch auf die guten Quoten des Polittalks "Anne Will" verwiesen: Bei durchschnittlich 4,22 Millionen Zuschauern ist der Marktanteil 2010 auf satte 14,6 Prozent gestiegen - im Vorjahr waren es noch 13,4 Prozent.
Allerdings schrieb Herres den Erfolg nicht etwa der Moderatorin zu, sondern dem allgemein gestiegenen politischen Interesse in bewegten Zeiten. "Zur eigenen Meinungsbildung ist die mit Spitzenpolitikern und Experten besetzte Gesprächsrunde am Sonntagabend für ein Millionenpublikum unverzichtbar", so Herres. Im Nachhinein scheint das eines von mehreren Zeichen dafür gewesen zu sein, dass Wills Standing beim Sender nie das Allerbeste war. Schon als sie 2007 Nachfolgerin von Sabine Christiansen beim Polittalk am Sonntagabend wurde, war sie nur die zweite Wahl: Wunschkandidat Günther Jauch, der den Job im zweiten Anlauf nun doch macht, hatte abgesagt.
Bei der Bundestagswahl im vorigen Jahr verlor Will außerdem ein wichtiges Prestigeduell - nicht sie, sondern ihr Talkrivale Frank Plasberg ("Hart aber fair") durfte als Vertreter der ARD das Rededuell der Kanzlerkandidaten moderieren. Zudem sickerte interne Kritik an Wills Moderationsstil durch.
Nun will der Sender der TV-Journalistin einen alternativen Sendeplatz anbieten, als möglicher Termin gilt der Donnerstag, an dem auch ihre ZDF-Konkurrentin Maybrit Illner sendet. Fraglich, ob sich Anne Will, deren Karriere doch bislang immer nur bergauf ging, mit diesem Abstieg zufrieden gibt.
Nun darf also gleich doppelt gerätselt werden - wie es mit der Kölnerin weitergeht und ob der 54-jährige Publikumsliebling Jauch dem Job als Polittalker überhaupt gewachsen ist. Experten haben zumindest schon mal ausgerechnet, dass seine künftige ARD-Sendung mit einem Minutenpreis von 4487,18 Euro wesentlich teurer wird als Wills Talk. Der schlägt demnach mit 3164 Euro pro Minute zu Buche.