Polizeiarzt im Brechmittel-Prozess freigesprochen
Bremen (dpa) - Diesmal blieb der Tumult im Gerichtssaal aus: Zum zweiten Mal hat das Landgericht Bremen einen wegen eines tödlichen Brechmitteleinsatzes angeklagten Polizeiarzt freigesprochen. Der Mediziner hatte vor mehr als sechs Jahren einem mutmaßlichen Drogenhändler Brechsirup eingeflößt, damit dieser verschluckte Kokainkügelchen erbricht.
Weil die Kammer auch im neu aufgerollten Verfahren die Todesursache nicht zweifelsfrei klären konnte, entschied sie am Dienstag im Zweifel für den Angeklagten. „Wir werden Schläge für dieses Urteil einstecken“, sagte der Vorsitzende Richter Helmut Kellermann am Ende der Urteilsbegründung.
Der Tod des 35-Jährigen aus Sierra Leone Anfang 2005 hatte auch politisch hohe Wellen in Bremen geschlagen. Den damaligen Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) kostete die Affäre damals beinahe sein Amt. Als es dann zum Freispruch im ersten Prozess kam, protestierten einige Zuschauer im Gerichtssaal lautstark.
Später hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf und gab es zur neuen Verhandlung ans Landgericht Bremen. Auch diesmal nahmen sich die Richter viel Zeit, um das Geschehen in jener Nacht im Dezember 2004 zu rekonstruieren. Doch am Ende blieben erneut Zweifel. „Die Kammer hat alles getan, um die Todesursache zu klären“, sagte Kellermann. Das sei jedoch nicht eindeutig gelungen.
Fest steht: Der Verdächtige weigerte sich damals nach seiner Festnahme, den Brechsirup freiwillig einzunehmen. Daraufhin legte der Arzt eine Magensonde, über die er das Mittel einflößte. Der Mann erbrach sich, hielt die Drogenpäckchen aber mit den Zähnen zurück und schluckte sie wieder runter. Schließlich konnte der Mediziner ein Kügelchen sicherstellen, machte aber weiter mit der unangenehmen Prozedur. Dann eskalierte die Situation. Der Sauerstoffgehalt im Blut sank dramatisch, der Afrikaner verlor das Bewusstsein. Tage später starb er im Krankenhaus.
Doch woran? Hatte er Wasser in die Lunge bekommen, so dass es zu einem Sauerstoffmangel im Gehirn kam? „Vieles spricht dafür“, sagte Kellermann. Zehn Experten hatte das Gericht gehört. Die meisten unterstützten diese Theorie. Einige Fragen blieben aber ungeklärt. „Sämtliche Gutachter mussten einräumen, dass es Ungereimtheiten gibt“, sagte der Richter. So habe der 35-Jährige unter anderem nicht gehustet, obwohl das ein Reflex beim Verschlucken sei.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ist der 47 Jahre alte Mediziner nicht nur für den Tod des mutmaßlichen Drogendealers verantwortlich, sondern hat auch unverhältnismäßig gehandelt. Denn wie sich später herausstellte, hatte das Opfer fünf kleine Pakete mit Kokain verschluckt - im Wert von 100 Euro. In ihrem Plädoyer forderte die Anklage deshalb neun Monate Haft zur Bewährung wegen fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Körperverletzung.
Die Behörde will nun genauso wie die Anwältin der Nebenklage prüfen, ob sie in Revision geht. Dann müsste sich der Bundesgerichtshof erneut mit dem Fall befassen. Brechmittel werden seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2006 in Deutschland nicht mehr unter Zwang angewendet. Ob nun endgültig ein Schlussstrich unter die Bremer Affäre gezogen werden kann, ist jedoch noch offen.