Neue Einzelheiten zur Schießerei in Georgensgmünd Polizist nach Schüssen von "Reichsbürger" weiterhin in Lebensgefahr
"Entgegen erster Meldungen schwebt der schwer verletzte Beamte (32) der Spezialeinsatzkräfte Nordbayern aktuell in akuter Lebensgefahr. Wir bitten die Falschmeldung zu entschuldigen", teilte die Polizei am Mittwochabend mit.
Georgensgmünd/Roth. Ein sogenannter Reichsbürger hat bei einer Razzia in Georgensgmünd bei Nürnberg auf vier Polizisten geschossen und sie zum Teil schwer verletzt. Wie das bayerische Innenministerium mitteilte, sollten die legalen Waffen des 49-Jährigen am Mittwoch wegen Unzuverlässigkeit sichergestellt werden. Dabei eröffnete der Mann sofort das Feuer auf die Beamten. Der Täter konnte leicht verletzt festgenommen werden. Zur Unterstützung waren Spezialeinheiten der Polizei am Tatort.
Mit seinen Schüssen hat der sogenannter Reichsbürger einen SEK-Beamten lebensgefährlich verletzt. Der Mann sei operiert worden, sein Zustand sei eher stabil, aber durchaus lebensgefährlich, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch in Roth. Ein zweiter Beamter des Spezialeinsatzkommandos (SEK) habe einen Durchschuss im Oberarm erlitten, zwei weitere seien durch Glassplitter verletzt worden.
Verwirrung herrschte am Mittwochabend über einen Twittermeldung der Polizei, in der der Tod eines Polizisten gemeldet wurde. Am Abend dementierte die Polizei Meldungen, der lebensgefährlich verletzte Beamte sei gestorben.
„Ich bin entsetzt über den Fall“, sagte Herrmann. Es sei eine „bisher so in Bayern nicht gekannte Eskalation“. Laut Herrmann hatte der Täter mehr als 30 Kurz- und Langwaffen in seinem Besitz. Darunter seien auch zugelassene amerikanische und historische Waffen. Der sogenannte Reichsbürger ist nach Polizeiangaben Jäger und hat einen Jagdschein.
Derweil fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft nach den Schüssen ein härteres Vorgehen gegen die "Reichsbürger"- Gruppierung. Bayerns DPolG-Landeschef Hermann Benker verlangte ein bundesweites und behördenübergreifendes Lagebild über die von „Reichsbürgern“ gegenüber Behördenvertretern begangenen Straftaten. Der stellvertretende DPolG-Bundesvorsitzende Ernst Walter verlangte im Fernsehsender N24 eine umfassende Beobachtung der „Reichsbürger“ durch den Verfassungsschutz.
Auch die Bundesregierung will ihre Einschätzung der Gruppierung überprüfen. Der „erschreckende Vorfall“ werde sicher Anlass sein zu schauen, ob die bisherigen Bewertungen Bestand hätten, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Der 49-Jährige, der derzeit keiner Arbeit nachging, sei den Behörden bislang nicht aufgefallen, sagte der Rother Landrat Herbert Eckstein: „Bei dem Mann war seitens des Verfassungsschutzes so nichts feststellbar.“ Früher habe er eine Schule für Kampfsport betrieben. Erst als der Mann im Sommer Kontrolleure von seinem Grundstück verwies, die die ordnungsgemäße Aufbewahrung seiner Waffen überprüfen wollten, entschlossen sich die Behörden zu dem Zugriff. Der 49-Jährige hatte in diesem Zusammenhang dem Landrat auch einen nach seinen Worten „wilden Brief“ geschickt, in dem er sich als „Reichsbürger“ erklärte und mitteilte, dass er sich an staatliche Maßnahmen nicht halte.
Als erstes wurde der Zoll im Mai auf den Mann aufmerksam, weil sich der 49-Jährige weigerte, die Kfz-Steuer zu bezahlen. Weil bekannt war, dass der Mann eine Vielzahl von Waffen in seinem Haus hatte, wurde schließlich das SEK zur Unterstützung angefordert.
„Der Täter war im ersten Stock und eröffnete sofort von oben das Feuer“, berichtete der Polizeipräsident von Mittelfranken, Johann Rast, von dem Einsatz. Der 49-Jährige habe dabei eine Schutzweste getragen und mit einer Kurzwaffe auf die Polizisten geschossen. „Wie viele Schüsse insgesamt fielen, ist noch unklar“, sagte Rast.
„Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Stattdessen behaupten sie, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Häufig legen sie dabei die Grenzen von 1937 zugrunde. Vor diesem Hintergrund sprechen sie dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren amtliche Bescheide nicht. Etliche Akteure sind nach Einschätzung von Verfassungsschützern auch in der rechtsextremen Szene aktiv. Zahlen nennt das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht. (dpa)