„Post-Post-Rock“ von King's Daughters & Sons

Sie sind ausgemachte Experten fürs Leisetreten: Die US-Band King's Daughters & Sons brilliert mit einem Debütalbum, auf dem wenig passiert. Das Wenige hört sich aber großartig an.

Berlin (dpa) - Bei diesem Album muss man genau hinhören. Zu schnell könnte man ein wichtiges Detail verpassen. Die US-Band King's Daughters & Sons zeigt sich als Meister der Minimal-Nuancen. Mit dem schaurig-schönen Erstlingswerk „If Then Not When“ (Chemikal Underground Records/Roughtrade) beleben die fünf Musiker eine fast totgeglaubte Musik-Richtung wieder: den Post-Rock - und sie gehen noch ein Stück weiter.

Auf der Platte zählt jedes Raunen, jeder Gitarren-Zupfer, jeder vorsichtig gesetzte Klavier-Akkord. Dafür müsste man ein neues Gerät erfinden: die Gehörlupe. Das ist natürlich Quatsch. Das weiß auch das Plattenlabel und liefert darum eine Gebrauchsanleitung mit, wie die acht Lieder am besten zu hören sind: mit sehr großen Lautsprechern. Für die Fahrt in der U-Bahn eignet sich die Musik jedenfalls nicht.

Das Quintett um Sänger und Gitarrist Joe Manning baut seine Songs behutsam auf. Bis der Kontrast zwischen Laut und Leise stimmt, wird gefeilt, hier ein Akzent gesetzt, dort wieder etwas weggenommen. Wie spannend das klingen kann, zeigt das Instrumentalstück „A Storm Kept Them Away“. Warme E-Piano-Läufe, aufbäumende Gitarren-Riffs, polternder Schlagzeug-Donner - eine Gratwanderung, bei der Songs und Hörer schnell verloren gehen können. Die Königskinder beweisen aber ein beachtliches Balance-Vermögen.

Die Band aus Louisville im US-Bundesstaat Kentucky fühlt sich ohne Zweifel im geheimnisvollen Dunkel wohl. Passenderweise fand man für die Geister- und Mörder-Balladen mit Kevin Rattermann einen ausgemachten Experten fürs Makabre. Der Musikproduzent (etwa von der Band My Morning Jacket) stammt aus einer Bestatterfamilie, sein Tonstudio heißt „The Funeral Home“ (Das Beerdigungsinstitut).

Die Musiker tasten sich behutsam vorwärts. Allein in den lichteren Momenten kommt Fahrt auf. Etwa wenn Pianistin Rachel Grimes in „Arc Of The Absentees“ von vergangenen Zeiten singt: Einstmals lief alles in ruhiger Bahn, dann kam die große Gleichgültigkeit. Herzschmerz lass nach. Neben zärtlichen Folk-Tönen gibt es auch laute Blues-Nummern wie „Dead Letter Office“.

Dass sich die Band selbst den Stempel Post-Rock aufdrückt, ist erstaunlich zutreffend. Der Sammelbegriff für alles Abseitige passt: Die Königskinder gehören nicht zum kommerziellen Musikbetrieb - und wollen dies wohl auch gar nicht.

Das schreiben sich auch andere Post-Rocker wie die Isländer von Sigur Rós auf die Fahnen. Allerdings sind die längst im Kommerz angekommen. Für King's Daughters & Sons müsste man dann in dem Fall vielleicht ein neues Fach aufmachen: Willkommen im „Post-Post-Rock“.